Bottrop reagiert auf den Beschluss zum Klimanotstand und führt einen Nachhaltigkeitscheck ein. Doch der bewertet nicht nur ökologische Aspekte.

Im Juli vergangenen Jahres hat der Rat der Stadt Bottrop den Klimanotstand beschlossen. Doch was heißt das eigentlich? Welche Auswirkungen auf die Entscheidungen in der Stadt hat dieser Beschluss? Beobachtet man die Diskussionen in den politischen Gremien, so gewinnt man manchmal den Eindruck, als nutze jeder den Begriff Klimanotstand, wie es ihm gerade in den Kram passt. Die Verwaltung will das nun ändern und hat einen Nachhaltigkeitscheck erarbeitet. So funktioniert er.

Bei Projekten überprüft die Verwaltung künftig drei Aspekte. Neben den ökologischen auch die sozialen und die ökonomischen. Dafür wurden verwaltungsintern in Workshops Kriterien erarbeitet, die künftig auf alle Projekte angewendet werden sollen. Heraus kommt am Ende ein Punktesystem, das Aussagen über ökologische, soziale und ökonomische Auswirkungen macht.

Die Konzentration allein auf ökologische Aspekte ist nicht sinnvoll

Oberbürgermeister Bernd Tischler, Stefanie Hugot, Leiterin Koordinierungsstelle Integrierte Stadtentwicklung und Baudezernent Klaus Müller (v. l.) stellen den von der Verwaltung entwickelten Nachhaltigkeitscheck vor.
Oberbürgermeister Bernd Tischler, Stefanie Hugot, Leiterin Koordinierungsstelle Integrierte Stadtentwicklung und Baudezernent Klaus Müller (v. l.) stellen den von der Verwaltung entwickelten Nachhaltigkeitscheck vor. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Unter dem Punkt Ökologie etwa geht es um die Frage nach dem Klimaschutz. Aber auch Fragen nach der ökologischen Mobilität, also der Vermeidung von Verkehr oder der Umstieg auf umweltfreundlichere Fortbewegungsmittel wird unter dem Punkt abgefragt, genauso wie Auswirkungen auf den Artenschutz. Wohlwissend, dass es schon innerhalb dieses ökologischen Aspekts zu widersprüchlichen Beurteilungen kommen könne, so Baudezernent Klaus Müller. Er führt den Bau eines Windrades an, was möglicherweise unter Klimaschutzaspekten gut weg käme, bei der Frage nach dem Artenschutz aber vielleicht weniger gut.

Gleichzeitig ist man sich aufseiten der Verwaltung sicher, dass allein die Konzentration auf die ökologischen Aspekte für die Stadtentwicklung nicht förderlich wäre. Daher also auch die Überprüfung auf soziale und ökonomische Auswirkungen. So werden etwa auch Punkte vergeben für die Frage, inwieweit ein Projekt das Wohnen und die Versorgung aller Bevölkerungsgruppen sichere oder aber die Teilhabe und den sozialen Ausgleich für alle Bevölkerungsgruppen ermögliche.

Gründachstrategie der Stadt Bottrop besteht Nachhaltigkeitscheck

Gleichzeitig spielt es für die Bewertung im Nachhaltigkeitscheck auch eine Rolle, inwieweit durch ein Projekt der Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort nachhaltig gestärkt wird oder auch Innovation und Digitalisierung gefördert würden. Im idealen Fall ergäben sich daraus nicht einmal unbedingt Widersprüche, sagt Oberbürgermeister Bernd Tischler und verweist auf die Innovation City. Auch dort sei es ja gelungen, aus dem Klimaschutz heraus die Wirtschaft zu fördern, sagt er mit Blick auf die vielfachen energetischen Sanierungen in der Stadt.

Zur Vorstellung des Nachhaltigkeitschecks hat die Stadtverwaltung die vom Rat beschlossene Gründachstrategie probehalber überprüft. Das Ergebnis: In allen drei Aspekten überwiegen die positiven Folgen. Denn begrünte Dächer dienen nicht nur – ökologisch – dem Klimaschutz, sie dienen auch – sozial – der Gesundheit der Menschen, weil sie helfen, Hitzeinseln abzukühlen und es auch in Gebäuden nicht so warm wird. Auch ökologisch gebe es keine Nachteile, weil es Förderprogramme für solche Gründächer gebe.

TU Dortmund hat gemeinsam mit der Stadt Bottrop den Nachhaltigkeitscheck erarbeitet

Selbstverständlich weiß man aber auch innerhalb der Stadtverwaltung, dass nicht alle Checks so eindeutige Ergebnisse bringen werden. Es wird auch Projekte geben, wo sich die drei Aspekte nicht so leicht in Einklang bringen lassen. Baudezernent Klaus Müller sieht in dem Check deshalb zwei Vorteile. Zum einen ließen sich Projekte im Nachgang möglicherweise noch verändern, so dass der Check in allen drei Bereichen positiver ausfiele, zum anderen liefere er aber den politischen Vertretern eine transparente „Entscheidungshilfe“. In solchen Fällen müsse Politik abwägen, wie sie Prioritäten setzt.

Erarbeitet wurde der Nachhaltigkeitscheck unter anderem gemeinsam mit der TU Dortmund, die das Projekt auch weiter evaluieren wird. Laut OB Tischler sei Bottrop mit diesem umfassenden Check im Ruhrgebiet und auch in ganz NRW Vorreiter. Andere Städte hätten zwar einen Klimacheck eingeführt, die würden aber die anderen Aspekte nicht berücksichtigen.

Bottroper Verwaltung sieht den Nachhaltigkeitscheck als Baustein der Klimaoffensive

https://www.waz.de/staedte/bottrop/ehemalige-ikea-flaeche-in-bottrop-soll-gewerbeflaeche-bleiben-id227505199.htmlTischler und Müller erhoffen sich durch diesen Vorschlag der Verwaltung eine „Versachlichung der Debatte“. Müller: „Meine Hoffnung ist, dadurch die Diskussion aktuell anstehender Projekte zu versachlichen und mögliche Blockadehaltungen aufzuweichen.“ Wichtig sei eben aus Sicht der Stadtverwaltung, so Stefanie Hugot, Abteilungsleiterin für Integrierte Stadtentwicklung, „dass wir alle Dimensionen der Nachhaltigkeit beachten“. Außerdem, so Stefanie Hugo, sei der Nachhaltigkeitscheck nur ein kleiner Baustein der Klimaoffensive. Die beinhalte noch weitere Projekte, die die Stadt demnächst vorstellen werden.