Bottrop / Münster. Wolfgang Gerrits stieß vor 35 Jahren die Aktion „Kinderdorf Bottrop in Gambia“ an. Sein langes ehrenamtliches Engagement wurde nun ausgezeichnet.
„Entwicklungshelfer wollte ich nie werden“, sagt Wolfgang Gerrits (69). Doch genau das ist der ehemalige WAZ-Redaktionsleiter: Jemand, der Kindern und Jugendlichen zu Perspektiven verhilft in einem Land, das er als bitterarm erfahren hat.
40 Jahre währt sein Einsatz in dem kleinen westafrikanischen Staat Gambia nun, und dafür wurde er am Donnerstag in Münster mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
1985 wurde „Kinderdorf Bottrop in Gambia – Partner für Afrika“ gegründet
„Ich freue mich darüber – weniger wegen mir persönlich, sondern weil damit das Projekt gewürdigt wird“, sagte der Dorstener im Vorfeld im Gespräch mit der Redaktion. „Das hat der Vorstand verdient; es sind viele involviert.“ Zusammen mit Kollegen der Bottroper WAZ-Redaktion hatte Gerrits 1985 den Verein „Kinderdorf Bottrop in Gambia – Partner für Afrika“ gegründet; in der Folge wurden zunächst ein Kindergarten, dann eine Technical Highschool, also Berufsschule für die Bereiche Hauswirtschaft, Metallverarbeitung und Holz aufgebaut. Letztere wurde mittlerweile ganz an den Staat übergeben.
In Berührung mit Gambia kam Gerrits aber bereits 1980 in Wattenscheid, als er dort mit 29 Jahren Chef wurde, „als Jungspund“. Dort war auf Anregung eines Lesers – dem Wattenscheider Steuerberater und Gamiba-Reisenden Günter Schmitter (†) – bereits eine Aktion angelaufen. „Ich wurde mit einem Sonderkonto überrascht, auf dem 27.000 DM lagen“, erinnert sich Gerrits. Die wollten eingesetzt werden – und noch im gleichen Jahr wurde der Kindergarten Wattenscheid in Gambia eröffnet. Gerrits reiste aus diesem Anlass selbst nach Afrika und wurde dort mit einer ganz anderen Welt konfrontiert, mit unvorstellbarer Armut und Elend. „Als Journalist bin ich dort hingekommen – und als Malocher für die Kinder wieder zurück“, sagt er heute.
Als Gerrits dann 1985 nach Bottrop kam, wo er bis 2003 bis zu seinem Wechsel nach Oberhausen und später Duisburg blieb, hatte er die Idee, hier etwas Ähnliches aufzuziehen. „Das fand in der Redaktion gleich Widerhall.“ Und nicht nur dort: Leser, Firmen, Vereine, Klassen und Kindergärten halfen mit, dass das Kinderdorf Bottrop in Brikama/Gambia 1986 mit einem Vier-Gruppen-Kindergarten für zunächst hundert Mädchen und Jungen eröffnet werden konnte. Zwei Jahre später wurde der Grundstein für die Technical Highschool gelegt, die 3000 Gambiern eine Ausbildung ermöglicht. Das Projekt wurde größer und größer – und Gerrits spürte neben der Freude, helfen zu können, auch enorme Verantwortung und Druck aufgrund der benötigten Finanzierung. „Das hat mich so manche schlaflose Nacht gekostet“, gibt er zu; zumal er ja bis zu seinem Ruhestand auch noch einem ganz anderen Hauptberuf nachging.
Drei Millionen Euro flossen bislang ins Kinderdorf
Neben festen Patenschaften (heute über 300 bei 250 Paten) wurden und werden Veranstaltungen auf die Beine gestellt und andere Töpfe angezapft, so dass bis heute rund drei Millionen Euro ins Kinderdorf Bottrop flossen. Aktuell steht der Ausbau des zu 100 Prozent vom Bottroper Verein getragenen Kindergartens, in dem die kleinen Gambier auch eine Mahlzeit erhalten, zum Vorschulzentrum im Fokus. Die Anlage sei jetzt darauf ausgerichtet, 360 Kinder aufzunehmen. „Mittelfristig, also um 2025, sollen sie 500 Kinder besuchen können. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen.“ Im Augenblick werde der Komplex, versorgt durch Solarstrom, ergänzt um eine Erste-Hilfe-Station. „Wir arbeiten mit dem Roten Kreuz vor Ort zusammen, um kleine Blessuren gleich dort behandeln zu können.“
Vieles weitere könnte aufgezählt werden – von der Brunnenanlage bis zum Schulbus – und Ideen für die Zukunft gibt es noch so einige. „Es reißt nicht ab – im Gegenteil, es wird mehr“, meint der Dorstener. Und so lange er könne, werde er, der seit der ersten Stunde der Vorsitzende des Bottroper Gambia-Vereins ist, weiterhelfen. Was viel Arbeit bedeutet – „man hat jeden Tag damit zu tun“ – aber eben auch viel Lohn. „Ich habe den Weg einiger verfolgt, die bei uns waren. Viele arbeiten in der Verwaltung, viele haben einen Job bei einer Bank, einer ist Arzt in einem Kinderhospital.“ Freude mache es auch zu sehen, wie die gut vorbereiteten Kleinen aus dem Kindergarten dann in der Schule toll durchstarten. Und im Grunde gibt es auch gar keine Alternative als weiterzumachen: „Wenn man einmal angefangen hat, darf man nicht aufhören – es geht um Menschen.“
Ein Einsatz, den die Bezirksregierung übrigens so beschreibt: „Wolfgang Gerrits hat durch sein ehrenamtliches Engagement im Bereich der Völkerverständigung auszeichnungswürdige Verdienste erworben.“
Brücke zwischen Westafrika und dem Ruhrgebiet
Regierungspräsidentin Dorothee Feller würdigte Wolfgang Gerrits’ Einsatz für Gambia. „Durch Ihr ehrenamtliches Engagement bieten Sie den Kindern im Gambia eine Zukunftsperspektive und schlagen gleichzeitig interkulturell eine Brücke zwischen dem Ruhrgebiet und Westafrika“, lobte sie.
Schon im Mai 1988 würdigte der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker die Gambia-Initiative. Er überreichte Wolfgang Gerrits in der Bonner Redoute den Journalistenpreis Entwicklungspolitik 1987. „Ich hatte das Vergnügen, in der Feierstunde vor dem Diplomatischen Corps einen entwicklungspolitischen Exkurs zu halten und das Gambia-Projekt vorzustellen“, erinnert sich Gerrits.