Bottrop. . Das Landesumweltamt fand in der Nähe der Kokerei Prosper zu hohe Schadstoffe. Was die Bürger in welchen Ortsteilen essen sollten und was nicht.

Die Bottroper Stadtverwaltung rät mittlerweile dazu, bestimmte Gemüsesorten aus Gärten in gesamten Stadtteil Welheim sowie in Teilen der Stadtteile Boy und Batenbrock besser nicht zu essen. Das Gemüse sei dort und auch in der Kleingartenanlage Johannestal zu sehr mit Schadstoffen belastet. Die betroffenen Ortsteile liegen im Umkreis der Kokerei Prosper.

Die Behörden sehen die Kokerei auch als Verursacherin der Schadstoffbelastung des Gemüses an. „Bei den polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen ist es sehr, sehr wahrscheinlich, dass es die Kokerei ist“, erklärte Christel Wies, Abteilungsleiterin der Bezirksregierung Münster.

Heftiger Streit um groben Staub spielt keine Rolle

Bottrops Oberbürgermeister Bernd Tischler wies darauf hin, dass es in einer Reihe von Wohnstraße große Proteste gegen die Kokerei gebe. „Es ist im Umfeld der Kokerei eine intensive Diskussion zu beobachten“, sagte der Oberbürgermeister. Denn viele Bürger klagen seit Monaten darüber, dass grober Staub in ihre Gärten und auf ihre Autos fällt. Tischler wird daher am 3. Juni auch eine Auswahl an Bürgern zu einem Runden Tisch über die Kokerei einladen.

Das Landesumweltamt stellt jedoch klar, dass die jetzigen Untersuchungsergebnisse im Streit um die Verschmutzung keine Rolle spiele. „Es geht hier nicht um den schwarzen Staub“, erklärte Katja Hombrecher. Dieser sei nicht für die Schadstoffbelastung des Gemüses im Bottroper Süden maßgebend, sondern Benzo(a)pyren und weitere Substanzen aus der Gruppe der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe.

Bottroper Verwaltung ergreift Vorsorgemaßnahmen

Die Stadt betreibt daher nun auf Anraten des Landesumweltamtes Vorsorge. „Ich bin natürlich dazu verpflichtet, die Gesundheit der Bürger zu schützen. Wir müssen das tun. Die Stadt kann gar nicht anders handeln“, kommentierte Oberbürgermeister Bernd Tischler das vorsorgliche Verzehrverbot für Gemüse im Bottroper Süden.

„Wir gehen vorsorglich über die Empfehlungen des Landesumweltamtes hinaus“, sagte Bottrops Umweltdezernent Klaus Müller. Schon in der kommenden Woche bereitet das Landesumweltamt außerdem in drei weiteren Siedlungen die Untersuchung von Gemüse auf Schadstoffe vor.

Verzehrempfehlung gilt für drei Bottroper Stadtteile

Für diese Stadtteile in Bottrop gilt die Verzehrempfehlung der Umweltbehörden.
Für diese Stadtteile in Bottrop gilt die Verzehrempfehlung der Umweltbehörden. © Antonia Huber

Zuvor hatte das Landesumweltamt der Stadt Bottrop geraten, auf jeden Fall eine solche Verzehrempfehlung auszusprechen. Danach sollten Anwohner zunächst kein Blattgemüse essen, das in einem begrenzten Gebiet um die Schulen in der Welheimer Straße und im Schatten der Alpincenter-Halde entlang der Johannesstraße gewachsen ist. Außerdem sollten die Bürger nach der Empfehlung der Behörde auch Blattgemüse aus Gärten in der Nähe des Industriegebietes „An der Knippenburg“ nur einmal pro Woche essen.

Die Bottroper Stadtverwaltung empfiehlt den Anwohnern nun allerdings , nicht nur in ganzen Stadtteil Welheim, sondern auch in der Batenbrocker Wohnsiedlung vorsorglich überhaupt kein Gemüse aus eigenen Gärten zu verzehren. Die Stadt wird ab Montag eine Bürger-Hotline freischalten. Unter der Bottroper Telefonnummer 704050 beantworten Fachleuten montags bis freitags zwischen 9 Uhr und 11 Uhr sowie 15 Uhr bis 17 Uhr Fragen der Anwohner.

Gemüse immer sehr gut waschen oder schälen

Die Umweltbehörde hatte an immerhin sieben von neun Stellen im Umkreis der Kokerei Prosper erhöhte Schadstoffwerte im Gemüse gemessen. So hoch, dass das Umweltamt wie in Welheim von einem Verzehr abrät, sind die Werte allerdings nirgends sonst - allenfalls noch in Batenbrock.

Grünkohl aus dem eigenen Garten kommt in Teilen Welheims und Batenbrocks besser nicht in den Topf, rät das Landesumweltamt.
Grünkohl aus dem eigenen Garten kommt in Teilen Welheims und Batenbrocks besser nicht in den Topf, rät das Landesumweltamt. © Heinrich Jung

Gar nicht oder möglichst selten sollten die Bürger in den betroffenen Gebieten demnach zu Grünkohl, Mangold, Spinat, Pflücksalat wie etwa Lollo Rossa, Feldsalat, Rucola, Rübstiel sowie Staudensellerie und auch nicht zu Kräutern greifen.

Weiterhin essen können die Anwohner nach Einschätzung des Landesumweltamtes dagegen zum Beispiel Kopfsalat, Weiß- oder Rotkohl und auch Wurzel- und Knollengemüse. Denn solche Gemüse seien weniger mit Schadstoffen aus der Luft belastet. Das gleiche gelte für Früchte, die die Anwohner ebenfalls weiterhin anbauen und verspeisen können. Sie sollten das Gemüse und die Früchte vor dem Verzehr allerdings auf jeden Fall sehr gut waschen oder auch schälen.

Untersuchung geht auf Initiative Bottrops zurück

Krebserregende Substanzen

Polyzyklische aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK) gelten als krebserregend. Sie entstehen bei unvollständigen Verbrennungen und fallen womöglich auch bei der Verkokung von Steinkohle an. Außer in Kokereirohgasen finden sich die gesundheitsgefährdenden Stoffe aber zum Beispiel auch in Auspuffgasen von Kraftfahrzeugen und in Rußen, aber auch in gegrilltem oder geräucherten Fleisch oder in Zigarettenrauch.

Die Bezirksregierung Münster hatte das Landesumweltamt auf Initiative der Stadt mit der Untersuchung beauftragt, ob Gemüse aus privaten Gärten im Bottroper Süden bedenkenlos verspeist werden könne. Daraufhin hatte die Umweltbehörde zwischen August und November vorigen Jahres im Umkreis der Kokerei Prosper an neun Messstellen in den Stadtteilen Welheim, Batenbrock und Welheimer Mark Grünkohlpflanzen auf ihre Belastung mit Benzo(a)pyren und weiteren Substanzen aus der Gruppe der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen überprüft.

Die höchsten Werte wurden während des Untersuchungszeitraums an jenen Messpunkten im Westen und Norden der Kokerei festgestellt, in deren Umfeld die Umweltbehörde jetzt vom Verzehr bestimmter Gemüsesorten abrät. Die überdurchschnittliche Schadstoffbelastung in der Nähe der Straße „An der Knippenburg“ im Westen der Kokerei erklärt das Landesumweltamt damit, dass es von August bis November außer der Hauptwindrichtung Südwesten auch häufiger Wind aus nordöstlicher Richtung gab.

Behörde stellt über die Ursache Vermutungen an

Deshalb nimmt man Grünkohl

Weil die Grünkohlpflanzen mit ihren aufgegliederten Blättern und ihrer starken Wachsschicht sehr gut geeignet sind, fettlösliche Substanzen wie die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe aus der Luft aufzunehmen, werden sie gezielt bei Umweltuntersuchungen wie im Bottroper Süden eingesetzt. Es handelt sich dabei um ein standardisiertes Verfahren. Für die bei der Grünkohlexposition erhobenen Daten gibt es außerdem über viele Jahre ermittelte Vergleichswerte des Landes, anhand derer eingeordnet werden kann, ob und wie sehr die in Bottrop gemessenen Schadstoffe vom Landesdurchschnitt ab weichen.

Für das stark belastete Gemüse an den Messpunkten entlang der Johannesstraße im Norden der Kokerei und etwas weiter östlich an den Welheimer Schulen stellt die Umweltbehörde Vermutungen an. Die hohen Werte lassen sich nach ihren Erkenntnissen nicht mit der Hauptwindrichtung erklären.

Möglicherweise sei der Schadstoffausstoß ausgerechnet dann höher gewesen, wenn der Wind aus Süden wehte als bei Wind aus Südwesten. Auch Schwankungen der Windrichtungen, die sich langfristig in den Statistiken nicht auswirken, könnten eine Ursache sein, wenn diese mit höheren Immissionen verbunden waren.