Bottrop. . Am 19. Februar 1919 griffen aufständische Spartakistentruppen das Rathaus an. 15 Verteidiger wurden erschlagen: Eine historische Aufarbeitung

Der Essener Historiker René Hoffmann hat in den vergangenen Jahren, angeregt durch den lokalpolitischen Dauerstreit in Bottrop um die Kirchhellener Loewenfeldstraße, eine bei der Helmut-Schmidt-Universität der Bundeswehr in Hamburg vorliegende wissenschaftliche Untersuchung erstellt zur Geschichte der deutschen Freikorps mit einem regionalgeschichtlichen Schwerpunkt zu den Ereignissen in Bottrop 1918-20.

Aus Anlass des Bottroper Jubiläumsjahres 2019 hat René Hoffmann nun auf der Grundlage seiner Forschungsergebnisse eine fundierte Abhandlung verfasst zu einem der wichtigsten Ereignisse der neueren Bottroper Stadtgeschichte , die von der Bochumer Verlagsgesellschaft B&W als ISBN-registrierte Broschüre unter dem Titel „Das Bottroper Rathaus-Massaker vom 19. Februar 1919. Verantwortlichkeit, Instrumentalisierung und Verleugnung eines Verbrechens“ veröffentlicht wurde. Sie ist nun im Buchhandel erhältlich, zum Beispiel bei Buchhandlung Erlenkämper an der Hochstraße.

Drei Schwerpunkte

Für die WAZ hat Hoffmann seine Ergebnisse zu drei Schwerpunkten zusammengefasst: zu den Ereignissen am 19. Februar 1919, zum Fall des Alois Fulneczek, der als Namensgeber für die Loewenfeldstraße vorgeschlagen wurde, und zu den politischen Nachwirkungen der Ereignisse,

Chaos nach der Niederlage 1918

Im Zusammenhang der Umsturzbestrebungen im Deutschen Reich im Gefolge der Kriegsniederlage von 1918 herrschten zu Beginn des Jahres 1919 von Düsseldorf bis Hamm anarchische Zustände. Ständige Einschüchterungsversuche, Bandenunwesen, Streiks und Streikversuche waren über Monate nahezu täglich Realität. Es kam zu immer verbisseneren Auseinandersetzungen zwischen Gemäßigten und Radikalen, ständig ereigneten sich schwerste Schlägereien, Gewalt- und Sabotageakte.

Die Eskalation

Nachdem am 10. Februar ein Bergwerksbeamter in Dorsten-Hervest ermordet und von der Regierung angesichts der schweren Unruhen ein Sicherungseinsatz von Truppen angeordnet worden war, eskalierte die zum Zerreißen angespannte Lage nach einem Streikaufruf einer radikalen Minderheit vom 17. Februar umgehend. In tausendfach verbreiteten Aufrufen hieß es: „Eine zügellose Soldateska [...] will auch hier die revolutionäre Bewegung im Blute der Arbeiter ersticken! [...] Die weißen Garden [...] sind mordend ins Ruhrgebiet eingezogen.[... ] ihr Blutdurst kennt keine Grenzen.“

Die ersten Zusammenstöße

Verantwortlich für derart bluttriefende Hetzereien waren keine Arbeiter, sondern einmal mehr der nur allzu oft anzutreffende Typus des pseudointellektuellen Schreibtischtäters im sicheren Hintergrund. Die Bemühungen der gewissenlosen Hetzer trugen insbesondere in Bottrop schreckliche Früchte. Noch vor dem Eintreffen der Regierungstruppen kam es zu blutigen Zusammenstößen zwischen eilig zusammengewürfelten, schlecht organisierten radikalen Kampfgruppen und den wenigen noch verfügbaren regierungstreuen Kräften.

Verwaltungschef verabschieden sich

Die warnenden Vorzeichen schon in der eigenen Gemeinde vor Augen und angesichts von mehreren Hundert schwer bewaffneten Radikalen, die sich seit Tagen in Osterfeld und Sterkrade zusammenrotteten, hatten es derweil die beiden verantwortlichen Bottroper Verwaltungschefs vorgezogen, sich mit fadenscheiniger Begründung am 16. Februar aus dem Gemeindegebiet zu verabschieden. Das Recklinghäuser Landratsamt erklärte auf die telefonische Anfrage des verunsicherten Polizeikommandanten, man wolle sich nicht in interne Belange der Gemeinde einmischen; damit stand die Gemeinde in hochgefährlicher Lage ohne verantwortliche Spitze.

Kapitulation vor der Übermacht

Unter diesen Vorzeichen verübte schließlich am 19. Februar eine schwer bewaffnete radikale Kampfgruppe einen Angriff mit Artillerieunterstützung auf das Bottroper Rathaus. Da die von Gemeinde- und Kreisverwaltung im Stich gelassene Schutzmannschaft im Rathaus aufgrund von Fehlinformationen stündlich mit dem Anrücken der Regierungstruppen aus Richtung Dorsten rechnete, versuchte man zunächst, das Rathaus zu halten.

Als die Verteidiger schließlich doch vor der Übermacht der Angreifer kapitulieren mussten, richteten diese unter den nun wehrlosen Verteidigern beim Verlassen des Gebäudes ein grauenvolles Blutbad an, bei dem 13 Männer zumeist mit Gewehrkolben erschlagen wurden. Zwei weitere Männer erlagen ihren schweren Verletzungen wenige Tage später.

Die Mörder konnten untertauchen

Die Mörder konnten unbehelligt in der Masse der Angreifer untertauchen, von denen die weitaus meisten nach einem dreitägigen Intermezzo im Rathaus vor den dann schließlich doch heranrückenden Regierungstruppen flüchteten.