Bottrop. . Die Auftragsbücher der Bottroper Handwerksfirmen sind voll. Mangel an Fachkräften und sinkendes Interesse an Lehrstellen trüben die Perspektiven.
Die Auftragsbücher im Handwerk sind voll. Allerdings gibt es zu Jahresbeginn auch Sorgen: „Wachsende Probleme bei der Suche nach Nachwuchs, der geplante Mindestlohn für Auszubildende sowie mögliche Dieselfahrverbote lösen unter Handwerkern Unruhe aus“, stellt Egbert Streich fest. Er ist Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Emscher-Lippe-West.
Im vergangenen Jahr wurden erneut weniger Ausbildungsverträge geschlossen. 537 waren es 2018, im Jahr zuvor 610 und davor noch einmal hundert mehr. Die Tendenz ist deutlich. „Zwar gab es letztlich sowohl freie Ausbildungsplätze als auch Bewerber. Nur passte beides nicht zueinander“, erklärt Streich. Positiv sei jedoch, dass wieder mehr Betriebe ausbilden. Den Fachkräftemangel in naher Zukunft im Blick, findet ein Umdenken statt. „Es gibt einfach keine gut ausgebildeten Fachkräfte auf dem Markt. Da bleibt nur die Möglichkeit, sie selbst auszubilden.“
Nachfolgeproblem als Chance für Abiturienten
In vielen Betrieben stelle sich zudem das Problem der Nachfolge. „Das ist die Chance für Abiturienten.“ Klar, die meisten jungen Leute würden ins Studium drängen. „Dabei gibt es im Handwerk so viele Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten bis hin zur Selbstständigkeit. Und: Der Meisterbrief berechtigt auch zum Studium, selbst wenn man kein Abitur hat.“ Ein Studium garantiere keinesfalls einen Job. Sicher aber sei, dass das Handwerk der Wirtschaftszweig ist, der boomt. „Die vollen Auftragsbücher zeigen es schon jetzt.“
Jugendliche, die eine Ausbildung anstreben, sollten sich durchaus schon jetzt initiativ bewerben. „Das zeigt dem Arbeitgeber die Motivation“, rät Streich. „Zudem bietet sich dann noch die Möglichkeit zu einem Praktikum in den Ferien.“ Wichtig sei, seinen Neigungen zu folgen. „Dann ist man auch gut und überzeugt!“
Attraktivität ist entscheidend
Zudem lohne der Blick auf weitgehend unbekannte Berufe. „Beispielsweise haben Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutzisolierer einen spannenden Job und werden weltweit gesucht, aber es ist für Firmen schwierig, die Ausbildungsplätze zu besetzen.“
Sorgenvoll blickt Streich auf die bundesweit geplanten Mindestlöhne für Auszubildende im Handwerk von 504 Euro pro Monat. „Ich glaube nicht, dass das mehr Jugendliche in die Ausbildung lockt.“ Streich nennt Beispiele: Schon jetzt zahlten Betriebe im Bauhandwerk oftmals über 1000 Euro im ersten Ausbildungsjahr, und trotzdem gebe es Nachwuchsprobleme. Ein Azubi zum Fotografen bekomme dagegen nur 350 Euro, aber die Ausbildungsplätze seien schon jetzt rar und sofort vergeben. „Es kommt halt auf die Attraktivität des Berufs und des Betriebs sowie Spaß an der Ausbildung an.“
Dieselfahrverbote nicht zu verantworten
Mit den Dieselfahrverboten sieht Streich düstere Wolken am Horizont aufziehen. Zwar sei Bottrop selbst noch nicht betroffen, aber Handwerker fahren auch über die Stadtgrenzen. Nahezu alle Handwerker hätten gerade erst ihre Fahrzeugflotte auf Euro-Norm 5 umgestellt mit dem Ziel, sie 15 bis 20 Jahre zu fahren. Meist haben die Fahrzeuge Spezialeinbauten für Werkzeug und Material. „Es ist viel zu teuer, nahezu neue Fahrzeuge jetzt schon wieder zu ersetzen“, kritisiert Streich. „Die Fahrverbote sind umweltpolitisch, der Vernunft und den Handwerkern gegenüber nicht zu verantworten.“