Bottrop. . Am Anfang versammelten sich die Bottroper Katholiken und gründeten einen „Karitasverbandes“ aller in „christlicher Nächstenliebe“ tätigen Vereine.
Große Jubiläen im neuen Jahr werfen ihre Schatten voraus. Neben der Stadt wird auch der Caritasverband 2019 in Bottrop seinen 100. Geburtstag feiern. Eine Chronik zur Geschichte ist in Arbeit.
Fast vier Jahre lang haben Sigrid Hovestadt, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit, und Michael Küperkoch, Leiter des Fachbereichs Kinder, Jugend und Familie mit Faible für Historisches, tief in den Archiven gegraben, um Zahlen und Daten zum Jubiläum des Verbandes zusammenzutragen, dessen Chef seit 20 Jahren Andreas Trynogga ist.
„Örtlicher Karitasverband“ gegründet
Erste Spuren der Caritas-Geschichte haben sie im Stadtarchiv gefunden. Es ist der in der Zeitung erschienene Aufruf von Pfarrer Bernhard Hülshorst von Liebfrauen an die Katholiken Bottrops. Sie sollten am 4. Juni abends ins „kath. Gesellenhause zu Bottrop“ zu einer Versammlung kommen, „zwecks Gründung eines örtlichen Karitasverbandes, der alle in der christlichen Nächstenliebe tätigen Vereine, Anstalten und Einzelpersonen zu einer planmäßigen Gemeinschaftsarbeit zusammenfassen soll.“
Die Zeitung berichtete am folgenden Tag: „Pfarrer Hülshorst eröffnete die Tagung und deutete die ansehnliche Besucherzahl als erfreuliches Zeichen dafür, dass auch in Bottrop die Pflege christlicher Nächstenliebe noch wach und rege ist. . .“. Es gelte, „Riesenaufgaben, die der furchtbare Krieg mit seinem traurigen Ausgange der Wohlfahrtspflege stellte“ zu bewältigen. Caritas ist übrigens das lateinische Wort für Nächstenliebe.
Als Referenten hatte man Kaplan Beeking eingeladen, Jugendfürsorgereferent des deutschen Caritasverbandes, der 1897 in Köln gegründet worden war. Die Fürsorge für bedürftige Familien, Kranken- und Altenpflege, Kinderheime waren die klassischen Aufgabengebiete der Caritas. Offenbar konnte der Redner in Bottrop überzeugen. 212 Teilnehmer hatten sich am Ende der Sitzung in die ausliegenden Listen eingetragen – „für den Anfang ein glänzender Erfolg.“
Fräulein Elisabeth wurde 1921 Sekretärin
Das erste Caritasbüro öffnete 1921 im Marienhospital, dessen Geistlicher Leiter Anton von der Beck gleichzeitig Caritas-Sekretär wurde. Erst zwei Jahre später bekam die Caritas mit „Fräulein Elisabeth Krogansky“ die erste hauptamtliche Sekretärin und die erste Geschäftsstelle in einem Werkstattanbau des Krankenhauses an der Scharnhölzstraße, früher ein Stall des Marienhospitals. 1926 wurde der Geistliche Josef Fels vom Bistum zum ersten Caritasdirektor ernannt.
Zu Anfang organisierte der Verband Kinder- und Müttererholung, 1928 wurde Marianne Rövekamp als Caritasschwester für die „Trinkerfürsorge“ eingestellt. Sie war auch fürs Wiegen der Kinder zuständig, die in der Nachkriegszeit oft untergewichtig waren und dann für ein halbes Jahr zur Erholung aufs Land oder in die Schweiz geschickt werden konnten.
Mehrfach in der Innenstadt umgezogen
1931 wechselte das Caritasbüro zur Gerichtsstraße 8, in das Haus, in dem zuvor die Eltern von August Everding gelebt hatten. Noch oft zog die Caritas im Innenstadtbereich um, bis der Verband 1957 sein eigenes Haus an der Pfarrstraße baute. Das blieb 20 Jahre lang das Domizil bis zum Umzug ins neue katholische Stadthaus an der Paßstraße. Inzwischen ist die Caritas an die Pfarrstraße zurückgekehrt, das katholische Stadthaus wurde verkauft.
Seit 1999 leitet Andreas Trynogga die Bottroper Caritas, er ist der siebte Geschäftsführer. Der studierte Historiker übernahm von dem 2018 verstorbenen Heinz-Gerd Rath, der 1984 wegen des Priestermangels als erster Weltlicher eingestellt worden war. Vor Rath bestimmte fast 40 Jahre lang Werner Pelster (1907-2000) die Geschicke des Verbandes. Er wurde 1937 Kaplan in St. Cyriakus und vertrat ab 1945 Friedrich Cladder als Caritas-Chef, der noch kurz vor Kriegsende eingezogen und dann vermisst wurde, 1954 wurde Pelster Caritasdirektor.
1946 gab es das erste Altenheim
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In die Zeit von Werner Pelster fällt der entscheidende Ausbau der Caritas. 1946 wurde das erste Altenheim im Kolpinghaus mit 15 Plätzen eingerichtet. 1954 folgte die Eröffnung des Alters- und Siechenheims St. Hedwig am Nordring, 1963 St. Teresa an der Görkenstraße. Für die Pflege und Betreuung holte Pelster schon damals spanische Ordensschwester nach Bottrop. Heute hat die Caritas vier Senioren-Einrichtungen in Bottrop und Kirchhellen mit 426 Plätzen. 1958 übernahm die Caritas von St. Cyriakus das Elisabeth-Heim, die „Hausmütterliche Bildungsstätte“, an die ein altes Schild erinnert. 1967 wurden Seniorenwohnungen gebaut.
„Ein hoch interessanter Mann“, erinnert sich Andreas Trynogga an Werner Pelster. „Ich hatte das Glück, ihn noch kennenlernen zu können.“ Er habe ihn in seiner Wohnung In den Weywiesen besucht und festgestellt, dass er auch mit über 90 Jahren noch auf dem Laufenden über die Caritas war. Viele Entscheidungen Pelsters seien zu seiner Zeit fortschrittlich und weitsichtig gewesen.
Heute gibt es 770 Mitarbeiter
Auf sein Betreiben eröffnete die Caritas nach dem Krieg mehrere Berglehrlingsheime. 1958 wurde das „Kindervollheim St. Konrad gegründet“, das heutige Kinderdorf Am Köllnischen Wald. Psychosoziale Beratung kam in den Jahren dazu, Aussiedler- und Flüchtlingsberatung, Schuldnerberatung, Sozialstationen, Kleiderkammer, Möbellager und vieles mehr. Wo es 1925 nur eine hauptamtliche Mitarbeiterin gab, waren es 1959 für Bottrop und Gladbeck zusammen 200. 1990, da gehörte Gladbeck nicht mehr dazu, 450 und heute sind es 770.
Die Aufgaben wurden inzwischen in Fachbereichen neu strukturiert, die Verwaltung zentralisiert und professionalisiert, es gibt eine freigestellte Mitarbeitervertretung. 2016 planten die Caritasverbände Bottrop, Gladbeck und Gelsenkirchen die Fusion. Heute gibt es nur Kooperationen der drei Verbände, beispielsweise im IT-Bereich. Denn aus der Fusion wurde am Ende aus steuerlichen Gründen nichts.
Erstes Elektroauto in 90-er Jahren
Auch in Sachen Umwelt habe sich die Caritas früh engagiert, berichten die Geschichtsforscher. Schon 1990 wurde eine Windkraftanlage zur Einspeisung ins Netz und Eigenversorgung an der Caritas-Ferienstätte Küstelberg im Sauerland errichtet. Damit galt die Caritas als „Stromproduzent“ und konnte Anfang der 90-er Jahre ein kleines Elektro-Auto anschaffen. Das war dann bei der Seniorenberatung im Einsatz und hatte Platz für einen Zivildienstleistenden, einen Senioren und einen Rollstuhl. Schon 2005 erhielt die Caritas das Regenwasserzeichen für die Abkoppelung von St. Teresa von der städtischen Kanalisation und 2017 für das Caritas Kinderdorf.