Bottrop. . Der Bottroper Ehrenbürger August Everding inszenierte Opern in der ganzen Welt. Als Jugendlicher drückte er im Jungengymnasium die Schulbank.
Viele Besucher des Kulturzentrums an der Blumenstraße betreten den massiven Bau durch die eindrucksvolle Holztür. Ihr Griff kann kaum mit einer Hand umschlossen werden. Das gute Stück ist so groß wie eine Untertasse. Drinnen angekommen lugt ein älterer Herr mit gesenktem Kopf über seine schmalen Brillengläser. Es ist August Everding.
Er begrüßt die Besucher als überlebensgroßes Foto auf der Glastür. Der Namensgeber des Kulturzentrums ist nicht nur eng mit dem Gebäude, sondern auch mit der Geschichte der Stadt verbunden.
Everding hatte als Schüler Bestnoten
„August Everding hat auf der ganzen Welt Opern inszeniert. Er ist ein sehr berühmter Bürger dieser Stadt“, erklärt Stadtarchivarin Heike Biskup. Von seiner späteren Karriere ahnte allerdings noch niemand etwas, als er im jugendlichen Alter durch die schwere Holztür des Jungengymnasiums ging.
Das Gebäude an der Blumenstraße war ja nicht immer ein Kulturzentrum. Erst seit den 90er Jahren bietet es dem Stadtarchiv, der Musikschule oder der Volkshochschule eine Heimat. Vorher drückten dort, ab 1910, Kinder die Schulbank. Und eines von ihnen war eben August Everding. „Er war ein sehr guter Schüler mit Bestnoten“, weiß Biskup.
Schule platzte aus allen Nähten
1949 machte der Bottroper sein Abitur. Von Mädchen fehlte dabei weit und breit jede Spur. Das Besondere an dem städtischen Gymnasium war nämlich, das ausschließlich Jungs dort lernten. „Das können sich die Schüler, die heute hier ins Stadtarchiv kommen, gar nicht mehr vorstellen. Eine Schule nur für Jungs. Sie staunen nicht schlecht, wenn ich das erzähle“, sagt die Stadtarchivarin.
Selbst ohne weibliche Unterstützung wuchsen die Schülerzahlen immer weiter an. Nur 17 Jahre nach der Eröffnung platzte das Gymnasium bereits aus allen Nähten. 1927 wurde ein Erweiterungsbau an der heutigen Böckenhoffstraße - damals Hermannstraße - eröffnet, um die Platznot in den Griff zu bekommen. Es kamen zwölf weitere Klassenräume, eine Aula und eine Turnhalle dazu.
Erst ein neues Gebäude löste das Problem
Lange blieb die Lage nicht entspannt. In den 60er Jahren stieß das Gymnasium erneut an seine Grenzen. Vor Ort konnten die Probleme diesmal nicht gelöst werden. Es musste ein neues Gebäude her. Über ein Jahrzehnt später war das Heinrich-Heine-Gymnasium bezugsfertig. Zehn Gehminuten trennen das alte Kapitel Stadtgeschichte vom neuen.
August Everding hatte einen schweren Start
Einen einfachen Start ins Leben hatte August Everding nicht. Mit einer Notgeburt kam er am 31. Oktober 1928 zur Welt. Zu allem Überfluss entzündete sein Vater beim Beten außer Kerzen auch die Gardinen.
August Everding war Chef der Hamburgischen Staatsoper und Intendant der Bayrischen Staatsoper.
Nachdem die letzten Tafeln und Bänke das große Gebäude verlassen hatten, wurden die Räume an der Blumenstraße renoviert und erweitert. Nun bieten sie der Kultur in Bottrop eine neue Heimat. Passend: „August Everding hat immer zu Bottrop gestanden und sich für die Kultur eingesetzt“, erzählt Heike Biskup. Nur ein Traum blieb ihm verwehrt. Ein eigenes Theater hat die Stadt bis heute nicht.
Neben der Musikschule, der Lebendigen Bibliothek oder dem Kulturbüro in der ehemaligen Schule liegt auch Heike Biskups Arbeitsplatz. „Wir arbeiten alle zusammen. Ein Zahnrad greift in das andere.“ Der kulturelle Geist von August Everding schwebt also auch noch durch die Flure.
>>> Blick vom Schulturm über Bottroper Dächer
Ganz sind die Schüler nicht aus dem Gebäude verschwunden. Oft hat Heike Biskup Klassen bei sich im Stadtarchiv an der Blumenstraße zu Gast, um ihnen etwas über die Bottroper Geschichte zu erzählen.
Langweilig wird es nicht. „Man mag es kaum glauben, aber das Interesse bei den Schülern ist da“, lobt Biskup. Außerdem: „Bottrop hat Geschichte. Das was im Großen passiert ist, ist hier kleiner auch passiert. Ob es die Programnacht oder etwas anderes ist.“
Der Turm auf dem Schuldach ist weg
Festgehalten wird die Stadtgeschichte nicht nur auf Fotos, sondern eben auch auf Postkarten. Unter all den verschiedenen Motiven lässt sich das Gymnasium finden. Mal ist die Schule nachträglich koloriert worden, mal ist sie in unterschiedlichen Grautönen gehalten. Bei allen Ansichtskarten fällt aber eines ins Auge: Der Turm auf dem Dach. „Den gibt es leider heute nicht mehr“, sagt Biskup.
Was für einen Ausblick man von seiner Spitze hatte, weiß die Archivarin aber trotzdem. Denn davon existiert ebenfalls eine Postkarte. Lässt der Betrachter den Blick über die Karte schweifen, fällt ein weiterer Turm auf dem Schuldach auf. Auch der ist heute verschwunden. Das Mauerwerk der Martinskirche hat das vergangene Jahrhundert aber überstanden. Sie ist unweit der Schule zu erkennen.
St. Cyriakus und Herz Jesu komplettieren das Bild. „Spannend ist an den Karten zu sehen, wie sich Bottrop städtebaulich bis heute verändert hat“, sagt Biskup. Bei ein paar Details hat der Mensch, der die Karte koloriert hat, aber geschummelt. Für die leuchtend roten Dächer hat er zu tief in den Farbtopf gegriffen. So bunt war Bottrop um 1910 nicht.