Bottrop. . Tausende von Ansichtskarten schlummern im Stadtarchiv. Sie zeigen Bottrop im Wandel der vergangenen 100 Jahre.
Vor Stadtarchivarin Heike Biskup liegen sechs Postkarten. Mal bunt, mal grau, mit einem großen Motiv oder vielen kleinen. Sie stammen nicht etwa vom Mallorca-Urlaub oder aus den Bergen Südtirols – sie sind aus Bottrop und zeigen Zechen, die Martinskirche im Herzen der Stadt oder das Museumszentrum. Für Biskup gehören die Ansichtskarten genauso ins Archiv, wie alte Fotos oder Bücher. Sie sind ein rechteckiges Stück Stadtgeschichte.
Passend zum anstehenden Stadtjubiläum im kommenden Jahr, widmet WAZ-Volontärin Kirsten Gnoth den Postkarten eine ganze Serie. „Post aus 100 Jahren“ soll die Geschichten hinter den Ansichtskarten lebendig werden lassen.
Viel Werbung auf Ansichtskarten
Postkarten waren nicht immer quietschbunt. Wer in den 40er Jahren einen „Gruß aus Bottrop“ verschickt hat, hat sich der Industriekultur verschrieben. „Mit der Karte wollte Bottrop sich als Industriestadt präsentieren, in der es Arbeit gab“, sagt Stadtarchivarin Heike Biskup. In den 70er Jahren sah das schon ganz anders aus. Mit möglichst viel Grün auf dem kleinen Rechteck wirbt Bottrop als „Stadt der Treffpunkte“ um Bürger.
Werbung, das ist ein gutes Stichwort, denn dafür wurden Postkarten oft gedruckt. „Durch die Karten lässt sich schön erkennen, wie die Stadt sich in verschiedenen Jahrzehnten selbst gesehen hat“, sagt Biskup. „Außerdem zeigen sie Bottrop im Wandel der Zeit“, fügt sie hinzu.
Einige von den Postkarten sind beschriftet
Neben den Stadtansichten schlummern in dem großen Fundus von Heike Biskup auch noch Postkarten, die weder Häuser noch Landschaften, sondern Menschen zeigen. Bottroper, die ihr Abbild über die Stadtgrenze geschickt haben. „Solche Grüße aus der eigenen Heimat gingen zum Beispiel an die Front. Oder Bergleute, die hier gearbeitet haben, schickten sie nach Hause zu den Familien.“
Einige von den Karten sind auf der Rückseite beschriftet. Manchmal, in einer ruhigen Minute, liest Biskup die Zeilen in der alten deutschen Schrift. „Man sieht den Menschen vor sich, erfährt wie es ihm zu der Zeit ging und was ihn bewegt hat. Die Alltagsgeschichte der Bürger ist wichtig, um die Stadtgeschichte erzählen zu können“, sagt Biskup.
Moderne Technik trifft alte Ansicht
Die erzählt die Stadtarchivarin nicht nur von ihrem Schreibtisch aus, sondern auch zwischen Häuserschluchten und Parkbuchten. Immer mit dabei: eine Postkarte und ein Beamer. „Wir projizieren, neben der Postkarte, auch alte Fotos an die Häuserwände. So können wir an verschiedenen Orten zeigen, wie es damals dort aussah“, erklärt Heike Biskup das Konzept hinter der abendlichen Stadtführung.
Die Postkarte, die sie dafür nutzt, ist vermutlich in den 1920er Jahren entstanden und nachträglich koloriert worden. Sie zeigt den Blick vom Turm des ehemaligen Jungen-Gymnasiums auf die Stadt. Kurioserweise ist der massive Bau heute der Arbeitsplatz von Heike Biskup. Die Aussicht aus dem Turm hat sich geändert, die passende Postkarte dazu bleibt.
>> Neue Ausstellung im Stadtarchiv geplant
Noch beherrscht der Bergbau den Flur vor dem Stadtarchiv. Mit Fotos und Texten verabschieden sich Heike Biskup und ihre Kollegen von der letzten Zeche und ihren Kumpeln. Im nächsten Jahr hält Werbung hinter der großen Glastür Einzug. Denn die Stadtarchivarin plant bereits eine neue Ausstellung. Bei „Bottrop voller Ideen - Stadtwerbung durch die Jahrzehnte“ sollen auch Postkarten eine wichtige Rolle spielen.
Die Lokalredaktion sucht Postkarten und Geschichten
Nicht nur Heike Biskup sucht noch nach interessanten Postkarten, auch wir freuen uns über die rechteckigen Zeitzeugen. Sollten Sie eine Karte mit spannenden Erinnerungen zu Hause haben, können Sie gerne mit dem alten Schätzchen in der Redaktion vorbei kommen. Mitbringen dürfen Sie auch die persönlichen Geschichten hinter den Ansichtskarten.
Persönlich können die Karten in der WAZ Lokalredaktion, Osterfelder Straße 13, abgegeben werden. Dorthin können die Postkarten auch geschickt werden. Das geht aber auch per Mail an
redaktion.bottrop@waz.de
Mit Slogans wie „Bottrop - Stadt der Treffpunkte“ oder „Stadt der Arbeit und Erholung“ wurde im Laufe der Jahrzehnte immer wieder um neue Bürger gebuhlt. „Es galt ein positives Image nach Außen zu tragen und damit vielleicht auch einem negativen entgegenzuwirken“, sagt Heike Biskup.
An den Haaren herbeigezogen ist das nicht. „Von all den Ruhrgebietsstädten kommt Bottrop besonders schlecht weg. Es gab sogar den Spruch ‘Komm se nach Bottrop, krisse ein aufn Kopp dropp’“, weiß die Stadtarchivarin.
Nicht nur mit Postkarten wurde fleißig die Werbetrommel gerührt, sondern auch mit Gläsern und anderen Fanartikeln. In der Ausstellung wird, neben Stadtwerbung, auch Firmenwerbung zu sehen sein. Was genau alles im Flur einen Platz findet, lasse sich jetzt noch nicht abschätzen.
Heike Biskup ist in der Sammelphase
„Ich stehe gerade erst am Anfang der Ausstellung, in der Sammelphase. Vieles stellt uns ein privater Sammler zur Verfügung, aber gerade Postkarten mit spannenden Slogans suchen wir immer noch“, erklärt Biskup. Die Ausstellung wird vom 4. Juli und bis zum 31. August 2019 im Flur des Kulturzentrums August Everding zu sehen sein.
Bei vielen Familien lohne sich ein Blick auf den Dachboden oder in den Fundus der Großeltern. Spannende Entdeckungen können Bottroper ins Stadtarchiv bringen, Blumenstraße 12-14.