Bottrop. Freiwillige Feuerwehr Altstadt hält Stellung, wenn die Profi-Retter zum Großeinsatz ausrücken. Im September feiert die Ortswehr 125-jähriges Bestehen.
Wenn man so will, ist die Freiwillige Feuerwehr Altstadt so etwas wie eine Reserve für die Berufsfeuerwehr. Bei großen Einsätzen, wenn die Kräfte der Berufsfeuerwehr alle entsprechend gebunden sind, wird die Ortswehr Altstadt alarmiert.
Deren Kräfte besetzen dann die Wache. Passiert noch etwas, geht also noch ein Alarm bei der Feuerwehr ein, können die Freiwilligen Kräfte sofort ausrücken und sparen Zeit, die sie sonst für die Anfahrt von zuhause aus benötigen. „Wir stellen die Grundsicherung, wenn die Berufsfeuerwehr länger in Einsätzen gebunden ist“, erklärt Löschzugführer Tobias Kell das Prozedere.
Damit ist die Ortswehr Altstadt die einzige Freiwillige Feuerwehr der Stadt, die zumindest von Zeit zu Zeit ihre Wache besetzt und dort quasi auf Einsätze wartet. 83 Mal wurden die Freiwilligen Kräfte aus der Altstadt im vergangenen Jahr alarmiert, „etwa 25 bis 30 Prozent macht die Grundsicherung aus, der Rest ist das übliche Einsatzgeschehen“; so Kell.
Keimzelle
Diese besondere Aufgabe spiegelt sich auch in der etwas anderen Fahrzeugausstattung wieder. Denn: „In solchen Fällen kann es sein, dass wir, auf uns allein gestellt sind“, erklärt Kell. Weil die Berufsfeuerwehr anderweitig gebunden ist, müssen also die Einsatzkräfte aus Altstadt zunächst ohne Unterstützung erkunden, was passiert ist und mit den Lösch- und Rettungsarbeiten beginnen. Eine zweite Ortswehr wird jedoch automatisch alarmiert.
Neben den Unwettereinsätzen in der letzten Zeit ist den Mitgliedern der Ortswehr vor allem der Einsatz am Trapez in Erinnerung geblieben. Im Herbst 2015 brannte es in einem Keller eines Gebäudekomplexes. Gemeinsam waren Berufsfeuerwehr und Ortswehr im Einsatz. 19 Menschen mussten die Retter in Sicherheit bringen und gleichzeitig den Brand in dem versteckt liegenden Kellerraum löschen.
„Da unten war absolute Nullsicht, dazu war der Keller ziemlich verwinkelt, da ist es wichtig, schon auf dem Weg zum Brandherd für den Rückzug vorzusorgen, um nicht die Orientierung zu verlieren“, erklärt Andreas Gollisch.
„Sich beim Einsatz unter Atemschutz in der Dunkelheit zurechtzufinden ist wirklich nicht einfach“, sagt Kell. 38 aktive Mitglieder setzen sich bei der Ortswehr Altstadt ein, 37 Männer und eine Frau. Im Durchschnitt, so Kell, sei die Truppe 32 Jahre alt.
Das Engagement bei der Freiwilligen Feuerwehr, Gollisch beschreibt es als „Nervenkitzel gepaart mit Idealismus“. Christoph Lang, Sprecher der Berufsfeuerwehr und selbst aktiv bei der freiwilligen Feuerwehr Boy, nickt bestätigend. Feuerwehrleute seien aber überall aus demselben Holz geschnitzt, weltweit. Gollisch erinnert sich in dem Zusammenhang an den Einsatz nach dem Pfingststurm Ela. Während einer Verschnaufpause sei ein Passant gekommen, wollte sich alles mal genau ansehen. Es stellte sich heraus: „Der kam aus Australien und war dort bei der Freiwilligen Feuerwehr aktiv.“ Und sofort habe man einen Draht zueinander gefunden.
Die Freiwillige Feuerwehr Altstadt ist so etwas wie die Keimzelle der Feuerwehr in Alt-Bottrop. Sie ist mit 125 Jahren die älteste Feuerwehr in diesem Teil der Stadt. Ihre Wache hatte sie zunächst an der Moltkestraße, dort wo nun der Saalbau steht. Dann folgte der Umzug ins ehemalige Straßenbahndepot an der Gladbecker Straße. Seit 1994 nutzt sie ihr Gerätehaus an der Hans-Sachs-Straße, direkt neben der Wache der Berufsfeuerwehr.
2016 ist das große Jubiläumsjahr, aktuell laufen die Vorbereitungen für das große Fest auf Hochtouren. „Wir wollen mit allen Bottropern am 10. September auf dem Berliner Platz feiern“, lädt Tobias Kell schon jetzt ein.
„Die Faszination aus der Kindheit“
Mit 22 Jahren gehört Sebastian Tischler noch zu den jüngeren Mitgliedern der Ortswehr Altstadt. Doch was die Feuerwehr angeht, da ist er schon lange kein Neuling mehr. Mit 14 Jahren hat er bei der Jugendfeuerwehr angefangen „und dann habe ich lange darauf hin gefiebert, zur Freiwilligen Feuerwehr zu gehen“, sagt der Medizinstudent. Mit siebzehneinhalb Jahren fangen die Jugendlichen an, in die entsprechende Ortswehr hineinzuschnuppern.
Sie kommen zu den Dienstabenden und lernen die übrigen Mitglieder kennen, bleiben aber gleichzeitig noch in der Jugendfeuerwehr. „Doch man wird hier sofort integriert“, lobt Tischler. Für ihn sei das Engagement bei der Feuerwehr auch ein Ausgleich zum doch eher theoretischen Studium, hinzu komme sein Interesse für Technik. Als Ausgleich zur Arbeit bezeichnet auch der stellvertretende Löschzugführer Jörg Lange-Hegermann sein Engagement, dabei arbeitet er bei der Berufsfeuerwehr in Oberhausen – allerdings in der Verwaltung. Feuerwehr, das habe auch viel mit der Faszination aus der Kindheit zu tun, sagt er. An seinen allerersten Einsatz erinnert er sich noch genau. „Es war kurz nach meinem Grundlehrgang. Ich hatte noch gar keinen Melder und wurde deshalb telefonisch informiert.“ Es war ein Sturmeinsatz, es mussten Keller leergepumpt werden.
Sebastian Tischler nennt noch eine Besonderheit der Freiwilligen Feuerwehr. Es gebe wohl kaum andere Vereine oder Verbände, in denen so viele unterschiedliche Altersgruppen sich gemeinsam engagieren, sagt der Sohn des Oberbürgermeisters. „Man findet hier für alles einen Ansprechpartner.“ Und von der Erfahrung der älteren Kameraden könne man immer profitieren. „So lernt man noch manchen Kniff, den man auf keinem Lehrgang beigebracht bekommt“, stimmt Andreas Gollisch zu. Hinzu komme die Bandbreite der verschiedenen Berufe, die sich in der Ortswehr finden. „Vom Beamten über den Studenten bis zum Schornsteinfeger haben wir hier alles."
Auch für den Nachschub ist die Ortswehr zuständig
Grundsicherung ist nur eine der besonderen Aufgaben, die die Freiwillige Feuerwehr Altstadt übernimmt. Innerhalb des Stadtfeuerwehrverbands ist sie außerdem zuständig für Nachschub und Logistik. „Das bedeutet, wenn an einem Einsatzort Spezialmittel benötigt werden, bringen wir sie dorthin“, sagt Jörg Lange-Hegermann. Zusätzlich sind die Altstädter gemeinsam mit der Ortswehr Boy für die Dekontamination von Menschen zuständig, etwa nach einem Chemieunfall. Für solche Fälle gibt es einen speziellen Container bei der Berufsfeuerwehr, der dann zum Einsatz kommt. „Den bedienen dann zwei Ortswehren“, erklärt Tobias Kell.
Feuerwehrsprecher Christoph Lang ergänzt: „Vom Land gibt es für verschiedene Einsatzszenarien bestimmte Konzepte. Dafür stehen die nötigen Materialien parat.“ Da müsse jeder Stadt in NRW dasselbe leisten. Der Spezialbehälter aus Bottrop könne dann aber auch bei Bedarf im gesamten Land eingesetzt werden. Und jede Feuerwehr kann jeden Behälter bedienen.
Die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr Altstadt müssen derartige Einsatzszenarien und den Umgang mit dem Spezialbehälter für den Katastrophenschutz entsprechend regelmäßig üben. Deshalb ist auch das immer wieder Thema bei den wöchentlichen Dienstabenden – immer freitags – der Ortswehr im Gerätehaus neben der Hauptwache.“