Bottrop. Als 1915 St. Michael die Weihe erhielt, tobte der Weltkrieg. Dennoch setzte sich die Gemeinde für eine würdige Ausstattung ihres Gotteshauses ein.
Im März vor 100 Jahren erhielt die Kirche St. Michael ihre feierliche Weihe. Der damalige Weihbischof Kappenberg aus Münster - zu der Zeit gehörte noch ganz Bottrop zu dieser Diözese - vollzog mitten im 1. Weltkrieg unter großem Aufgebot den Akt, während bereits die ersten Gemeindemitglieder im Krieg gefallen waren.
Noch waren die Predigten zuversichtlich, von Kritik an den sich abzeichnenden Materialschlachten keine Spur.
So auch die des Bischofs im Bottroper Arbeitervorort: „Im Streit für die Familie, für die Heimat, für unser großes und herrliches Vaterland begleitet den wackeren Sohn, Bruder oder Vater unser Gebet, welches wie ein Schutzengel den wackeren Kämpfer umschwebt“, so hieß es damals, verbunden mit dem Aufruf „mit besonderem Eifer jetzt zur Kirche zu gehen“.
Michael, der Schutzengel: War der Schutzheilige beim Bau dieser ersten Bottroper Kirche des bekannten Architekten Josef Franke noch mit Blick auf die Bergleute gewählt worden, so wurde dieser meist kämpferisch mit dem Schwert dargestellte Engel jetzt zu einem Bild für die Kämpfer im Feld.
Josef Albers gehörte zur Gemeinde
Dafür bot die Kirche, deren Bezirk bis 1922 noch zur Mutterpfarre Herz-Jesu gehörte, seit ihrer Fertigstellung einen damals viel gerühmten Rahmen. Der Hochaltar zeigte die neun Chöre der Engel mit dem strahlenden Michael im Zentrum.
Der Chor war komplett ausgemalt, die Fenster erhielten ein Bildprogramm mit damals beliebten und populären Heiligen - darunter seit 1918 auch das heute wieder eingebaute Fenster der „Rosa mystica“ von Josef Albers, der auch zur Michaels-Gemeinde gehörte.
Der Altar hieß volkstümlich Trostaltar
Die Malerei wurde früh übertüncht. Der Hochaltar nach dem 2. Weltkrieg, den er überlebte, entfernt. Nicht entfernt wurde der beliebte Herz-Jesu-Altar rechts vom Hauptchor. Der Münchener Maler Fritz Kunz hatte im Ersten Weltkrieg dessen Bild gemalt, das einen knieenden Soldaten und gegenüber eine bittende Familie zeigt. In St. Michael hieß der Altar volkstümlich auch „Trostaltar“ - und eine seitlich angebrachte Inschrift erinnert an die „Weihe des Deutschen Volkes an das heiligste Herz Jesu im Weltkrieg 1914 - 18“.
Ein bedeutendes Baudenkmal von Josef Franke
Auch wenn sich Frömmigkeitsformen und Ästhetik in 100 Jahren gewandelt haben: Der Kirchbau von Josef Franke gehört damals wie heute zu den bedeutenden Baudenkmälern der Stadt und überragt immer noch - im wörtlichen wie im übertragenen Sinn - die gesamte Umgebung der Prosper- und Glückaufstraße im Südosten der Stadt, der bis heute von Siedlungen des Bergbaus geprägt ist.
Auch die Entwicklung des Architekten selbst lässt sich gut nachvollziehen. Denn zwischen Frankes Bottroper Frühwerk, das noch mit neoromanischen Formen im Sinne eines freien Historismus spielt, und den expressionistischen Gotteshäusern von Neu-Herz-Jesu oder St. Ludgerus im Fuhlenbrock liegen nur 14 Jahre.
Die Bottroper Franke-Kirchen
St. Michael war nur der Auftakt für eine ganze Reihe von Kirchen - aber auch Profanbauten - die der bekannte Architekt Josef Franke zwischen 1912 und 1938 im Bottroper Stadtgebiet entwarf.
Nachdem er anfangs bei St. Michael noch mit neuromanischen Formen spielte, griff er ab 1915 bei der benachbarten St. Joseph-Kirche teilweise auf spätgotische Zitate zurück, verarbeitete aber auch Vorbilder wuchtiger Westwerke, wie zum Beispiel des Mindener Doms, in der Turmfassade und deren Aufbau und schuf ein bis heute beeindruckenden Fantasie-Gewölbe (die WAZ wird später ausführlicher berichten).
Nach einigen Anbauten, die Franke an der Cyriakus-Kirche vornahm, begann er 1927 mit dem Neubau von Herz-Jesu. Dort war durch Bergschäden die erste neugotische Herz-Jesu-Kirche von 1902 so beschädigt worden, dass ein kompletter Neubau notwendig wurde.
Im selben Jahr war Baubeginn für St. Ludgerus im Fuhlenbrock. An beiden Kirchen zeigt sich bereits ein anderes Stilempfinden und die Weiterentwicklung vom wuchernden Eklektizismus zur funktionalistischen Industriearchitektur, die zugleich Elemente des Expressionismus aufnimmt. Für den früheren Essener Stadtteil Ebel, der seit 1929 zu Bottrop gehört, schuf Franke 1937/38 die Kirche St. Matthias, ein schlichter, moderner Ziegelbau.