Bottrop. . 250 Bottroper kommen am Holocaust-Gedenktag zur Wiedereinsetzung der Gedenktafel, die an das frühere jüdische Bethaus in der Tourneaustraße erinnert.

„Wir stellen uns gegen alle, die unsere offene und freie Gesellschaft attackieren“, sagt Oberbürgermeister Bernd Tischler. „Und nur, wenn wir uns der Geschichte stellen, können wir dafür sorgen, dass sich so etwas nicht wiederholt.“ Worte wie diese rufen nicht nur am Holocaust-Gedenktag die Wunden der Geschichte - verursacht durch das Versagen einer ganzen Gesellschaft - schmerzvoll in Erinnerung.

Etwa 250 Bottroperinnen und Bottroper - darunter viele Schüler - versammelten sich schweigend in der Tourneaustraße und hören zu. Sie sind gekommen, um bei der Wiedereinsetzung der Gedenktafel an das frühere jüdische Bethaus teilzunehmen. Die meisten Männer tragen Hut oder die traditionelle jüdische Kippa. Eine Anwohnerin des Neubaukomplexes, in dessen Hof einst das Gemeindehaus der Bottroper Juden stand, verteilt weiße Rosen, die einige direkt an der neuen Stele, die die Bronzetafel nun trägt, niederlegen.

Kein Tag wie jeder andere

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Der Rabbiner der jüdischen Kultusgemeinde Gelsenkirchen-Bottrop-Gladbeck, Chaim Kornblum, singt das Gebet für alle ermordeten Juden Europas. Die Vertreter der christlichen Kirchen und anderer Religionsgemeinschaften, Bürgermeisterin und Bürgermeister, Mandatsträger aller Parteien, Mitglieder der Ausschüsse, Bürgerinnen und Bürger senken die Köpfe.

Es ist kein Tag wie jeder andere in der kleinen Straße, als Paul Döing auf seiner Flöte einsame Töne in die Winterluft schickt. Manchem mag es durch den Kopf gehen, was damals etwa 200 jüdische Mitbürger ertragen und erleiden mussten, noch bevor die Vernichtungsmaschinerie der unmenschlichen Diktatur auch die meisten Bottroper Gemeindemitglieder um Leben und Besitz brachte.

Viele Deutsche wollen sich nicht mehr erinnern

Judith Neuwald-Tasbach, Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, die auch die etwa zehn Bottroper Mitglieder betreut, zitiert die Medien, die herausgefunden haben wollen, dass 80 Prozent der Deutschen sich heute nicht mehr mit dem Holocaust beschäftigen wollten. „Dabei ist es doch erst 70 Jahre her, seit mit Auschwitz das größte Vernichtungslager befreit wurde“, sagt Neuwald-Tasbach, die aus einer eingesessenen Gelsenkirchener jüdischen Familie stammt, die sich nach dem Krieg dort bewusst wieder niederließ.

Die jüdischen Bottroper damals hätten nie gedacht, dass ihnen alles genommen werden sollte. „In der Tourneaustraße wird heute nicht mehr gebetet und gelehrt, das Haus ist verschwunden, wir können uns nur noch erinnern“, so Judith Neuwald-Tasbach. Und sie dankt allen, die dafür sorgen, das Bottrop seine Geschichte nicht vergisst.