Bochum. In dieser Straße wird Theater gespielt, Kunst gemacht und gezeigt, manchmal gut und manchmal weniger gut gegessen. Und eher entspannt gelebt. Eine Schönheit war sie nie und ist sie nicht, wird sie wohl auch nicht schnell werden

Die Rottstraße als bunt zu beschreiben ist fast zu wenig. Die dicht zugeparkte Innenstadtstraße, die Alleestraße und Ring verbindet, ist eine wilde, eine herbe Mischung, keine Schönheit sowieso. Verkümmernde Pornokinos, Kioskkultur in der Nachbarschaftsnische, Shopping zwischen Märklin-Miniaturen und Sexspielzeug, dazu Kneipen und viel Kultur. Hippe Theatergänger und Kunstkenner mit Jutebeuteln und Designerbrillen treffen Kopftuchkinder und Dosenbierfans. Durch das rote Lichtkunsttor hindurch geht es ins zuweilen leicht rotlichtig pralle Leben.

In Kulturkreisen gilt die „Rottstraße“ längst als Synonym für die „Subkultur“. Das Rottstraße-5-Theater (1) schaffte es mit Qualität und Einsatz seit 2009 hin zu überregionaler Aufmerksamkeit. Kaum jemand weiß, dass die nebenan unter gleicher Hausnummer wirkenden Kunsträume sogar schon etwas länger bespielt wurden, inzwischen nennen sie sich „Kunsthallen“.

Und ewig rauscht die Glückauf-Bahn

Über beide „Institutionen“ rauscht ewig wiederkehrend die „Glückauf-Bahn“.

Neben den Kulturstätten hat Andreas Browa kürzlich das „Neuland“ (2) eröffnet, eine Bistro-Bar in alten Kneipenräumen. Hier tischt er etwa „Ravioli mit Ochsenschwanzfarce an Parmesan-Trüffel-Schaum“ für 8,90 auf oder veganes „Quinoa-Risotto mit Hokkaido, Herbstspinat und Steinpilzen“ zum gleichen Preis. Doch damit ist er kulinarischer Außenseiter auf der Fastfood-Meile: gegenüber etwa die legere Pizzeria Kabul. Dort treffen sich in der mittäglichen Herbstsonne der ukrainische Arbeiter Juri, sein guter Freund und Kabul-Macher Hasib und auch ein Leipziger Gastarbeiter bei Mittagstisch und Getränk. „Hier kann man lecker essen“, sind sie sich einig – und, dass die Nachbarschaft gut sei, ruhig und entspannt.

Künstler aus London im Schaufenster

Wieder zurück auf der anderen Straßenseite malt ein Rasta-bezopfter Jungspund im Atelier von Stephan Geisler (siehe Kasten links). Es ist Amartey Golding, 26-jähriger Künstler aus London, ein international schon gefragter Maler. Er ist für fünf Wochen in Bochum und hat quasi nur hier geschlafen und an der Staffelei gestanden. Golding hat eine besondere Perspektive eingenommen: er kennt Bochum nur durch die Schaufensterscheibe der Rottstraße. „Spätestens beim zweiten Vorbeigehen grüßten mich die Leute und hielten gerne den Daumen hoch“, lacht er.

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An Internationalität fehlt es in der Rottstraße sowieso nicht: zwei Afrika-Shops, ein großer Asien-Supermarkt, ein asiatisches Schnellrestaurant und auch pakistanisches Fastfood (echt „with Pizza, Döner, Nudeln“). Und eine kleine Idylle findet sich auch: Die Traditionskneipe „Absinth“ (3) - unter dem Namen „Ahorneck“ einst revolutionärer unterwegs – verfügt über einen netten grünen Freisitz. Ein kleiner Biergarten, da, wo erst einmal keiner ihn vermutet. tht

Straße zum Militärplatz -Rottstraße hat ihren Namen von der „Rotte“

Die Rottstraße führte in alter Zeit über den heutigen Westring hinaus über die Trasse des heutigen Südrings bis zur ehemaligen Tankgasse hinter dem Butenbergtor. Das Gelände dort wurde „Umf Rade“ genannt; es war ein Lager- oder Versammlungsplatz des Militärs und der Bürgerwehren, auch Bürgerrotten genannt. Der Begriff „Rott“, welcher der Straße den Namen gibt, leitet sich somit von dem aufs Mittelalterliche zurückgehenden Wort für „Schar“ oder (Heeres)-„Gruppe“ ab, und nicht, wie oft fälschlicherweise angenommen, von einem Flur- oder Gehölznamen.

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Die 1874 großstädtisch ausgebaute Rottstraße gehörte als „Meile“ zum alten Arbeiterviertel Griesenbruch, die die Gegend rund um den Moltkemarkt, dem heutigen Springerplatz, mit der Innenstadt verband. Charakteristisch ist allerdings auch ihre Nähe zum Bochumer Rotlichtviertel abseits der Gussstahlstraße, gestern wie heute im Volksmund „Eierberg“ genannt.

Nachtjackenviertel mit Straßenstrich

Tatsächlich war die Rottstraße noch in den 1970er Jahren ein ausgewiesenes Nachtjackenviertel mit Straßenstrich und einer hohen Dichte von Striplokalen, Bars, Nachtkneipen, Wettstuben und Sex-Kinos. Davon sind heute nur noch Reste – etwa die „Miami“-Peepshow – erhalten.

Eine feste – dabei durchaus bürgerliche Anlaufstelle auf der Rott-straße – war über Jahrzehnte das rustikale „Haus Meyer“ auf der Ecke Schmidtstraße. JBS