Bochum. Ein unterhaltsames Märchenchaos bot die Premiere von „Grimmsklang” des Jungen Schauspielhauses am Sonntag. Die Kindertheaterproduktion (Regie Martina van Boxen) im Theater Unten verlor sich jedoch zuweilen in zu vielen Zitaten.
Die Regisseurin unterzog die Märchen einer Realismus-Kur und unterhielt dabei zumeist die Erwachsenen im Publikum. Stereotype des Märchens hinterfragte sie oft mit Humor, so wollte sich die Prinzessin (Paula Gendrisch) ihren Prinzen lieber selbst aussuchen als „gefunden zu werden“. Dornröschen monierte, dass man beim hundertjährigen Schlaf nicht die „eigenen Potenziale entfalten“ könne.
Einige dieser Spitzen waren gelungen, jedoch nicht gerade etwas „für Kinder ab 8 Jahren”. Problematisch: Oft wurde unterstellt, dass Kinder nicht zwischen Fiktion und Realität unterscheiden könnten. Alles wurde eins zu eins gesetzt. Dabei blieb leider die märchenhafte Poesie manchmal auf der Strecke.
Diskussionen gingen im Handumdrehen ins Szenische über. Mit schnellem Timing arbeitete „Grimmsklang” die Kernpunkte eines Märchens beispielhaft ab, etwa bei Rotkäppchen. Hier lernten Kinder, dass Wölfe nicht Menschen fressen („Das ist Bullshit”) oder, dass Märchen ohne Bösewichte langweilig sind. Schließlich wurde das straffe Tempo doch noch etwas gelöst, und das Träumen mit ansprechender Musikgestaltung (Manuel Loos) und verwunschenem Bühnenbild (Michael Habelitz) erlaubt.
Mitraten beim Märchen-Quiz
Sehr effektvoll gerieten die Schattenspiele. Sie entlarvten typische Gesten der Über- und Unterlegenheit, weil Kinder auch neben die Projektionsfläche schauen konnten, um zu sehen, wie diese entstehen.
Entlarvung war überhaupt ein großes Thema. Märchenkostüme wurden auf der Bühne an- und ausgezogen, um ja nicht zu vergessen, dass die Prinzessin gar keine ist. Das komische Talent des Schauspielers Michael Habelitz zeitigte positive Reaktionen, etwa als der „Teufel mit den drei goldenen Haaren“ auf einmal gar nicht böse war, sondern „Aua!“ schrie. Lautes Kinderlachen. Endlich. Die Kinder freuten sich auch über das Mitraten beim Märchen-Quiz. Großer Applaus!