Bochum. . Der Kirchharpener Bach im Bochumer Norden ist nur ein Rinnsal, aber bei Starkregen überschwemmt er umliegende Häuser. Die Anwohner sind verzweifelt, einige stehen nach mehreren Überflutungen binnen eines Jahres vor dem Ruin – doch schnelle Hilfe ist nicht in Sicht.
Britta Sabel ist fassungslos. Sie steht im Keller ihres Einfamilienhauses in Harpen und deutet auf den Sicherungskasten. „Letzten Sommer mussten wir uns nach einem Regenguss eine neue Elektroanlage anschaffen, die ist noch nicht abbezahlt. Und jetzt ist sie schon wieder kaputt!“ Auch die Waschmaschine und die Partykeller-Möbel sind hinüber, seit in der Nacht von Samstag auf Sonntag einige Stadtteile regelrecht überschwemmt wurden. Besonders schlimm hat es die Straße Ecksee erwischt – seit Jahren tritt der Kirchharpener Bach immer wieder über die Ufer, manchmal steht das Wasser zwei Meter hoch in den Kellern, wie Schlieren an den Wänden beweisen.
Sabel (46) wohnt am Ecksee zusammen mit ihrer Tochter Kimberly (18) und Sohn Julian (14). Am vergangenen Wochenende war Land unter im Bochumer Norden. Die Feuerwehr spricht von „massivem, lang anhaltendem Starkregen“. „Bis morgens um sechs hat sie das Wasser rausgepumpt“, so Sabel. Im Gespräch merkt man der Frau an, wie sehr die Situation sie zermürbt. Allein die Überschwemmung nach dem sogenannten Jahrhundert-Regen vom 20. Juni 2013 kostete sie „mehr als 20.000 Euro“. Seit 1999 lebt Sabel in dem Haus, seitdem gab es viele Überflutungen. Eine Versicherung gegen Hochwasserschäden habe sie nicht, „die nehmen uns nicht“.
Die Stadt kündigt ein Rückhaltebecken an – doch nichts passiert
Dass ausgerechnet die Häuser am Ecksee immer wieder in Mitleidenschaft gezogen werden, liegt am Verlauf des Kirchharpener Bachs. Der nämlich durchfließt mehrere Privatgärten. „Letztes Jahr hat die Stadt angekündigt, ein Regenrückhaltebecken zu bauen, aber es ist nichts passiert“, klagt die Anwohnerin Sabine Schäfer (51).
Stadt lässt Bürger im Stich
Das muss man sich mal vorstellen: Seit Jahren tritt der Kirchharpener Bach bei jedem größeren Unwetter über die Ufer und verwüstet die umliegenden Wohnhäuser. Die Anwohner sind fertig mit den Nerven. Doch von der Stadt kommt keine schnelle Hilfe.
Dabei sind die Menschen am Ecksee bereit, ihre Gartenidylle aufzugeben – sie schlagen vor, den Bach durch ein Rohr laufen zu lassen. Das lehnt die Verwaltung ab. Ein Bachbett sei einem Kanal vorzuziehen. Stattdessen werden die Leute vertröstet: Ende September beginnt der Bau eines Grabens zum Harpener Bach.
Klar ist: Allzu viele Überschwemmungen können sich die Anwohner schlicht nicht mehr leisten. Schon jetzt sind einige wegen der Schäden verschuldet, und das nächste schwere Unwetter kommt bestimmt.
Zwar ist es angesichts der desaströsen Haushaltslage angebracht, jeden Euro zweimal umzudrehen. Doch das kann nicht zum Standardargument werden, wenn die Existenz von Bürgern auf dem Spiel steht. In Harpen schimpfen sie schon: „Aber für die Fidelbude haben sie Geld!“ Wie oft sollen die Häuser noch unter Wasser stehen, bis das Rathaus endlich reagiert?
Schnelle Hilfe ist nicht zu erwarten. Die Stadtverwaltung räumt auf Anfrage ein, den Bau aus Kostengründen „zurückgestellt“ zu haben, so Stadtsprecher Thomas Sprenger: Man werde stattdessen dafür sorgen, dass der Kirchharpener ungehindert in den Harpener Bach abfließen könne. Die Arbeiten beginnen indes erst Ende September. Da es auch in Gerthe und Langendreer immer wieder zu Überschwemmungen kommt, stellt sich die Frage: Ist die Kanalisation den Anforderungen nicht mehr gewachsen? „Starkregen wie am Wochenende übersteigt die Kapazität der Entwässerungsanlagen“, sagt Sprenger: „Wir werden in Zukunft verstärkt Gräben wieder herstellen müssen.“
Für Britta Sabel und ihre Kinder ist das Wohnen im Überschwemmungsgebiet zur Qual geworden. Die Familie lebt in ständiger Angst vor dem nächsten Unwetter. Sabel hat schon daran gedacht, wegzuziehen. „Aber wer sollte ein Haus kaufen, das ständig unter Wasser steht?“