Bochum. Christina Barcik wurde nach einem Kreislaufkollaps in das Knappschaftskrankenhaus eingeliefert. Dort wurde sie jedoch nicht stationär behandelt, sondern an eine spezielle Kinderklinik verwiesen. Ihr Zustand sei nicht akut gewesen, argumentiert das Krankenhaus - Christinas Vater ist empört darüber.
Es passierte ganz plötzlich. Christina Barcik wurde am Montag in der Schule schwarz vor Augen – die 16-Jährige kippte um. Mit einem Rettungswagen wurde die junge Wittenerin, weil sich ihr Zustand nach Eintreffen der Sanitäter nicht besserte, ins Bochumer Knappschaftskrankenhaus gebracht.
Hilfe habe sie dort aber keine erhalten, klagt ihr Vater Heinzjörg Barcik: „Die diensthabende Ärztin in der Notaufnahme ist in ihrem Büro geblieben und hat sich Christina nicht einmal angesehen, weil ihr Zustand nicht bedrohlich gewesen sei“ In einer E-Mail an das Krankenhaus legte Barcik Dienstaufsichtsbeschwerde ein.
“Keine akute Gefährdung“
Geschäftsführer Hans-Peter Jochum äußerte sich gegenüber der WAZ zu den Vorwürfen: „Ob es einen direkten Kontakt zwischen der Oberärztin und der Patientin gab, entzieht sich meiner Kenntnis.“ Die diensthabende Ärztin habe sich aber über mit den Rettungssanitätern und der Notärztin ausführlich über den Zustand des Mädchens ausgetauscht. „Entscheidend ist das Fachgespräch mit der Notärztin.
Da das Mädchen bei Bewusstsein war und ihr Zustand nicht auf eine akute Gefährdung schließen ließ, war es für die Kollegin wichtiger, sie in eine geeignete Kinderklinik bringen zu lassen, als sie bei uns aufzunehmen.“
„Mädchen Aufenthalt bei Epilepsie-Patienten ersparen“
Heinzjörg Barcik lässt diese Argumentation nicht gelten: „Christina hatte in der Vergangenheit schon mal Kreislaufprobleme. Notärztin und Sanitäter wollten die Oberärztin deshalb davon überzeugen, Christina vor Ort in der neurologischen Abteilung zu untersuchen“, schildert er die Situation in der Notaufnahme. Er selbst habe das alles aus einigen Metern Entfernung verfolgt, wo seine Tochter auf einer Trage lag.
Geschäftsführer Jochum sagt, man habe dem Mädchen den Aufenthalt in der Neurologie ersparen wollen. „Dort liegen Patienten mit Parkinson oder Epilepsie – mit entsprechenden Symptomen.“ Um die Heranwachsende vor diesen Eindrücken zu schützen, habe die Ärztin sie an die Kinderklinik im St. Josef Hospital verwiesen.
Aufzeichnung der Hirnströme soll Klarheit bringen
Nach der zweiten Fahrt im Rettungswagen wurde Christina dort untersucht. Da es ihr inzwischen besser ging, konnte sie das Krankenhaus nach einer Stunde verlassen. Warum sie einen erneuten Kollaps erlitt, ist unklar. Klarheit soll nun eine Aufzeichnung ihrer Hirnströme bringen. „Die Ärzte vermuten ein Kreislaufproblem, weil Christina nicht gefrühstückt hatte. Aber es könnte ja etwas Ernstes sein“, ärgert sich Heinzjörg Barcik.
„Dass es dem Mädchen schnell wieder besser ging, zeigt, dass die diensthabende Ärztin richtig gehandelt hat“, sagt dagegen Geschäftsführer Hans-Peter Jochum. Heinzjörg Barcik hofft nun einfach nur, dass seiner Tochter derartige Notfälle künftig erspart bleiben.
Experte: „Die Notfallversorgung in Deutschland funktioniert“
Der ärztlicher Leiter des Rettungsdienstes Bochum und ärztliche Geschäftsführer des Katholischen Klinikums erläutert die gängige Praxis bei Rettungs- und Notarzteinsätzen:
Wonach wird entschieden, in welches Krankenhaus ein Patient gebracht wird?Wonach wird entschieden, in welches Krankenhaus ein Patient gebracht wird?
Christoph Hanefeld: Die Entscheidung trifft der Notarzt nach einer ersten Verdachtsdiagnose vor Ort – nach Möglichkeit in Absprache mit dem Patienten. Die Gesetzeslage laut Rettungsdienstgesetz ist eindeutig: Der Patient muss „in ein für die weitere Versorgung geeignetes Krankenhaus“ befördert werden. Das muss nicht zwangsläufig die nächstgelegene Klinik sein.
Wie häufig kommt es vor, dass ein Notfallpatient im Krankenhaus dann nicht behandelt oder weiterverwiesen wird?
Hanefeld: Zahlen kann ich nicht nennen. Eine reine Abweisung von Patienten darf es aber gar nicht geben. Das Krankenhaus ist dem Gesetz nach dazu verpflichtet, „alle, die seine Leistungen benötigen, nach Art und Schwere der Erkrankungen zu versorgen.“ Das bedeutet in aller Regel, dass sich der diensthabende Arzt selbst einen Eindruck vom Patienten verschafft. Dann wird entschieden, ob der Patient nach ambulanter Behandlung wieder gehen kann, ob man ihn stationär behandelt – oder ihn in eine andere Klinik bringt. Das ist mitunter eine komplizierte Entscheidung.
Müssen sich die Bürger Gedanken um die notärztliche Versorgung machen?
Hanefeld: Nein. Das System der Notfallversorgung funktioniert. In Bochum haben wir rund 40 000 Rettungsdiensteinsätze pro Jahr, 9000 davon unter Begleitung eines Notarztes. Wenn es vorkommt, dass Abläufe nicht funktionieren, dann sind das Einzelfälle. Betroffene sollten sich dann unbedingt die Verantwortlichen in den Krankenhäusern wenden. Nur so lassen sich Abläufe künftig verbessern