Bochum. Weil der werdende Vater Axel Schmid zu seiner Ehefrau ins Krankenhaus fuhr, konnte der Arbeitslose aus Bochum den Termin bei seinem Vermittler nicht wahrnehmen. Trotz kurzfristiger Absage stellte die Arbeitsagentur die Leistungen vorläufig ein. Nun entschuldigt sich die Behörde bei der jungen Familie.

Es war eine schwere Geburt: Mit einem Notkaiserschnitt holten die Ärzte die kleine Emma als Frühchen zur Welt. Die Arbeitsagentur hielt drei Tage später ein besonderes Glückwunschschreiben bereit: Sie strich dem Familienvater sämtliche Leistungen. Dafür hat sich die Behörde inzwischen entschuldigt.

Axel Schmid ist seit kurzer Zeit arbeitslos. Am 24. März um 13.45 Uhr hat der gelernte ReNo-Fachangestellte einen Termin bei seinem Arbeitsvermittler. Doch daheim an der Alten Bahnhofstraße in Langendreer herrscht mittags Alarmstufe Rot. Seine hochschwangere Ehefrau Sina (27) ruft ihn um 12 Uhr aus dem Wittener Marienhospital an. Emma sagt sich plötzlich an. Sechs Wochen zu früh. „Meine Fruchtblase ist geplatzt. Die machen einen Kaiserschnitt. Komm bitte sofort!“

Axel Schmid stürzt ins Auto – und denkt tatsächlich noch daran, bei der Arbeitsagentur anzurufen. Er wählt die angegebene 0800er-Nummer und teilt einer Telefonistin mit, dass er sogleich Vater wird und den Termin nicht wahrnehmen kann. Gerne hätte er das seinem Vermittler direkt gesagt. „Aber der ist nicht zu erreichen. Man kennt nicht die Nummer, wird nicht durchgestellt.“

Lasst den Worten Taten folgen

Unsere Stadt bewirbt sich öffentlichkeitswirksam um den Titel einer „familiengerechten Kommune“. Das Vorgehen der Arbeitsagentur zeigt, welchen Stellenwert die Familie in manchen Amtsstuben tatsächlich hat: keinen.

Einem werdenden Vater nach einer Notgeburt trotz rechtzeitiger Terminabsage die Leistungen zu streichen, ist nicht nur unsensibel und fahrlässig, es ist eine Frechheit, die ein grelles Licht auf den Umgang zumindest einzelner Vermittler mit Erwerbslosen wirft.

Gut, dass sich die Behörde dafür öffentlich entschuldigt. Besser, wenn den Worten Taten folgten.

Axel Schmid verfügt über mehrjährige Berufserfahrung im telefonischen Kundendienst. Gern würde der 32-Jährige für die Arbeitsagentur tätig werden. Werter Herr Wolterhoff, geben Sie dem Mann eine Chance! Sie würden einen Fehler wieder gutmachen – und einem frischgebackenen Familienvater einen Job mit Zukunft verschaffen.

Jürgen Stahl

E-Mail am Tag nach der Geburt

Immerhin: Die Service-Dame verspricht, „das Anliegen weiterzuleiten“. Axel Schmid düst nach Witten und erlebt „ein kleines Wunder“. Die OP verläuft ohne Komplikationen. Mutter und Tochter sind nach dem Kaiserschnitt wohlauf.

Sein blaues Wunder erlebt Axel Schmid drei Tage später. Obwohl er am Tag nach der Geburt in einer E-Mail an seinen Sachbearbeiter sein Fehlen nochmals entschuldigt und erklärt hat, liegt am 27. März ein Schreiben der Arbeitsagentur im Briefkasten: „Der Einladung vom 24. März sind Sie (...) leider nicht nachgekommen. Sie haben bisher auch keinen wichtigen Grund mitgeteilt. Die Leistungen wurden daher vorläufig eingestellt.“

Noch am gleichen Tag fährt Axel Schmid zur Universitätsstraße. Er steht vor verschlossenen Türen: Warnstreik. Erst tags drauf gelingt es ihm, mit seinem Vermittler zu sprechen. Der ist einsichtig: Die Leistungen werden wieder gewährt. Um kurzfristig über die Runden zu kommen, erhält Axel Schmid in dieser Woche eine Barauszahlung.

"Er hat korrekt gehandelt."

„Wir entschuldigen uns für den Vorfall“, erklärt eine Agentursprecherin auf WAZ-Anfrage. Die Absage von Axel Schmid habe den Vermittler verspätet erreicht. Ihm sei daher kein Vorwurf zu machen: „Er hat korrekt gehandelt.“ Eine Geburt sei „selbstverständlich“ ein triftiger Grund, einen Termin abzusagen.

Der „triftige Grund“ wird vorerst weiter in Witten betreut, ist aber auf einem guten Weg. „Emma“, strahlt Papa, „entwickelt sich prächtig.“