Bochum.

Den heutigen Abend kann Henry Wahlig seit Tagen kaum mehr erwarten. Schon am Freitagmittag, als er sich mit dem Verfasser dieser Zeilen unterhält, kann er seine Vorfreude wenig bis gar nicht verbergen. Bislang hat Henry in dieser Saison nämlich noch nicht ein Heimspiel besuchen können – eigentlich untypisch für ihn. Umso einleuchtender, dass er nun „heilfroh“ ist, „endlich mal wieder kommen zu können.“

Henry Wahlig? Und was soll an dem Kerl denn jetzt so besonders sein? Ist das nicht ein Fan wie jeder andere auch?

Na ja, nicht ganz. Denn kaum ein VfL-Fan wird wohl von sich behaupten können, schon ein Buch über seinen Lieblingsclub geschrieben zu haben. „Anne Castroper“ heißt es, ist erschienen im Jahr 2011 und widmete sich dem 100. Geburtstag des ehemaligen Ruhrstadions. „Mitten im Wohngebiet, das ist noch immer mit das Geilste, was es gibt“, sagt Henry. Er hat an der Uni Hannover – in dem „Exil“ also, in dem er seit sechs Jahren lebt – erst vor kurzem seine Doktorarbeit abgegeben und unter anderem schon zu jüdischen Fußballvereinen in Bochum geforscht.

Okay, gut. Der Kerl ist also Historiker und hat auch schon ein Buch geschrieben. Und weiter?

Verantwortlich für Vfl-Website

Auch für die stete Weiterentwicklung der Inhalte auf der VfL-Website war Henry jahrelang verantwortlich. Kurios, denn eigentlich hatte der in Münster aufgewachsene Forscher in den Anfangszeiten des Internets nur aus Jux eine VfL-Seite geschaltet. 1999 aber rief der in diesem Sommer scheidende Finanzvorstand Ansgar Schwenken wie aus heiterem Himmel an – und von da an betreute Henry den Web-Auftritt jahrelang mit vier Kumpels.

Das Quintett besuchte sechs, sieben Jahre alle Heim- und Auswärtsspiele, schrieb massenweise Spielberichte, organisierte den Live-Ticker, knipste Fotos. „Die übliche Betreuung eben“, sagt Henry ganz locker und verschweigt, dass ein Fußballverein ohne professionelle Presseabteilung heute eigentlich gar nicht mehr denkbar ist: „So etwas bindet natürlich unheimlich – wo wir überall dabei waren. . .“ Selbstredend hat Henry deshalb noch heute viele gute Kontakte zum VfL, und deshalb wird sich der Besuch morgen wie ein kleines Klassentreffen anfühlen. Vor dem Fürth-Spiel etwa trifft sich Henry mit Schwenken.

Immer weitermachen

Und, natürlich, ist da noch die Geschichte, warum Henry überhaupt eine Sympathie für den VfL empfindet. Er sagt, der Club passe zu seinem Naturell: „Zu diesem ‘nie aufgeben’, ‘immer weitermachen’.“

So standhaft, wie der Klub es seit Jahr’ und Tag ist, wird Henry nämlich im rein physischen Sinne irgendwann nicht mehr sein können. Noch kann er bis zu 50 Meter am Stück gehen, danach braucht er einen Rollstuhl. Dafür verantwortlich ist die Hereditäre Spastische Paraplegie (HSP), bei der die zentrale Nervenbahn im Rückenmark sukzessive verkümmert. Eine fortschreitende Krankheit, die Henry in den Rollstuhl zwingen – aber wohl nicht ansatzweise umwerfen wird. „Jeder hat doch irgendwo seine Probleme, ob es finanzielle sind oder andere. Ich mach’ halt einfach das Beste draus.“

Und deshalb ist Henry Wahlig ein ganz besonderer VfL-Fan. Vor dem man eine dicke Portion Respekt haben sollte und darf. Die, die ihn näher kennen, reden mit hoher Wertschätzung von diesem aufgeschlossenen, sympathischen Mann.

Und seit Freitagmittag hat Henry Wahlig einen Fan mehr.