Bochum. Gut 65 teils spektakuläre Pop-Up-Bücher sind noch bis 30.April in der Universitätsbibliothek zu sehen. Anlass dafür war eine Tagung.

Lesen und Staunen: Superman bricht mit der Faust durch die Seite, ein riesiger Drache entfaltet sich schlängelnd und breitet sich über die Buchseite hinaus aus oder eine Teegesellschaft nimmt niedlichst Platz. Wer in einem Pop-Up-Buch blättert, bekommt Inhalte sinnlich vor Augen geführt.

An der Ruhr-Universität fand im Rahmen des DFG-Projekts „Das Künstlerbuch als ästhetisches Experiment“ die interdisziplinäre Tagung „Raum – Zeit – Falten“ statt - und daneben gibt es nun – für alle Interessierten – die Schau von Exponaten aus der Sammlung des Recklinghäuser Sammlers Ulrich Tietz zu sehen.

Wunderwerke der Papier-Ingenieurskunst

Während die Tagung von Christian Bachmann organisiert wurde (Promovent und Leiter eines kleinen Verlags für Comicforschung), hat sich um die Pop-Up-Ausstellung Laura Emans gekümmert.

Die Wissenschaftlerin im Fach „Kulturpoetik“ stieß bei einem Studienaufenthalt in den USA auf das Thema, und schreibt nun in Münster eine Doktorarbeit über diese mechanischen Wunderwerke der Papier-Ingenieurskunst. Ihre Forschung brachte sie mit dem Lehrerehepaar Ulrich und Hildegard Tietz aus Recklinghausen zusammen, die über eine opulente Sammlung der beweglichen Bücher verfügen.

Aufklapp-Schmöker

Historisch entstanden sind die Aufklapp-Schmöker als künstlerische Produkte im frühen 19. Jahrhundert, Vorläufer sind Fachbücher der Astronomie und der Anatomie, in denen sich etwa Planeten oder Organe bewegen ließen.

Nach und nach eroberten die technisch-künstlerischen Erlebnisbücher immer mehr Themenfelder, vor allem die Kinderliteratur mit Märchenstoffen. Doch darin verblieb die Pop-Up-Buchkunst, deren Stellenwert in klassischen Comic-Ländern wie den USA, Belgien oder Frankreich ungleich höher als hierzulande anzusetzen ist, nicht.

Stadtmarketing wächst beim Unblättern

Das zeigt auch die kleine Schau: sie ist thematisch geordnet, setzt dabei einen Schwerpunkt auf verarbeitete literarische und fiktive Stoffe. Lewis Carolls „Alice“ ist da etwa bei der „Teegesellschaft“ zu sehen, dann Film- und Theaterstoffe zwischen Tim Burtons Nightmare-Ästhetik und modernisierten Gothic-Märchen. Aber auch nicht-fiktionale Verwendungen: etwa ein aufwändiges „Berlin-Paket“, das zu Stadtmarketingzwecken beim Umblättern Hauptstadt-Architektur detailgetreu erwachsen ließ.

Eine tolle bunte Schau, die – so ganz nebenbei – eine Bücher-Nische aufzeigt, die vom Digitalen nicht so schnell zu kolonisieren ist.