Bochum. Die Ausgaben der Jugendämter für Hilfen zur Erziehung sind angestiegen: Binnen fünf Jahren um 19 Prozent. 2012 hat Bochum gut 37 Millionen Euro für psychiatrische Behandlungen von Kindern und Jugendlichen aufgewendet. Steigende Fallzahlen und mehr gesellschaftliche Sensibilität haben dafür gesorgt.
Ein bedenklicher Trend, den Kommunen bundesweit verzeichnen, schlägt sich mittlerweile auch in Bochum nieder: Die Ausgaben der Jugendämter für Hilfen zur Erziehung sind in den vergangenen Jahren dramatisch angestiegen.
2012 waren die Ausgaben für ambulante und stationäre psychiatrische Behandlungen von Kindern und Jugendlichen mit 37.406.381 Euro um etwa 19 Prozent höher als noch vier Jahre zuvor (31.335.568 Euro). Die Fallzahlen sind im gleichen Zeitraum sogar um 26 Prozent von 1619 auf 2040 gestiegen.
Zweitgrößter Etatposten
Laut Jugendamtsleiter Dolf Mehring ist das eine enorme Belastung: Die Hilfen zur Erziehung machen mit etwa 55 Millionen Euro inklusive Personalkosten, Sach- und Dienstleistungen den zweithöchsten Posten (36 Prozent) der Gesamtausgaben des Jugendamts in Höhe von 152.800.609 Euro aus. Höher sind nur die Kosten für die Kitas, die aber im Gegensatz zu den Hilfen zur Erziehung zu einem Drittel durch das Land NRW mitfinanziert werden.
Erziehungsdefizite möglichst vermeiden
Zur Vermeidung von schwerwiegenden Erziehungsdefiziten setzt Jugendamtsleiter Dolf Mehring vor allem auf Prävention: Anfang 2013 übernahm die Stadt unbefristet 35 Schulsozialarbeiter, deren Stellen 2011 durch das zweijährige Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes geschaffen worden waren.
Präventive Unterstützung kommt seit 2013 auch von Seiten des Bundes durch die Bereitstellung der Frühen Hilfen wie Familienhebammen.
„Derzeit ist eine bundesweite Debatte im Gange. Die Kommunen wollen Entlastung von Bund und Ländern“, sagt Dolf Mehring. Im Januar hatte das Landes-Familienministerium die Jugendamtsleiter aus NRW zu einer Fachtagung in Gelsenkirchen eingeladen, um einen Überblick zu bekommen und politische Konsequenzen zu erwägen. „Ich bin froh, dass man uns hören will. In dieser Form war das ein Novum“, sagt Mehring, der das Bochumer Jugendamt seit 2000 leitet.
Als Gründe für den Anstieg der Kosten für die Hilfen zur Erziehung nennt Mehring zum einen steigende Fallzahlen. Diese ergäben sich seit der verstärkten Kinderschutzdebatte in den Jahren 2005/2006 aus der erhöhten Sensibilität der Behörden, aber auch aus einem Verfall der Familienstrukturen: „Kinder leiden erheblich unter kaputten Beziehungen. Wenn sie keine Liebe erfahren, entwickeln sie psychische Störungen wie Aggressionen gegen sich selbst oder andere. Und da müssen wir tätig werden.“
250 bis 300 Euro pro Tag
Mehring und seine Mitarbeiter haben beobachtet, dass die Probleme immer schwerwiegender werden und dadurch die Behandlung aufwendiger und teurer. Außerdem hätten die Krankenkassen die Übernahme von Kosten für Kinder- und Jugendpsychiatrie auf 30 Tage reduziert, nach deren Ablauf das Jugendamt in der Verantwortung sei.
Allerdings dauere eine ambulante Behandlung, um Erziehungsdefizite auszugleichen, durchschnittlich zwischen drei Monaten und einem Jahr. Bei stationären Maßnahmen läge die Verweildauer im Schnitt bei zwei Jahren, wobei die Tagessätze mit 250 bis 350 Euro zu Buche schlagen.