Bochum. . Etwa die Hälfte der 18.730 Arbeitslosen in Bochum ist schon lange ohne Beschäftigung. Die Zahl der bereit gestellten Stellen ist rückläufig, die Zahl der Arbeitslosen um mehr als 1.000 gestiegen. Auch mittelfristig ist kaum Abhilfe in Sicht.
Es hat schon mal mehr Menschen ohne feste Beschäftigung in Bochum gegeben. Deutlich mehr. Vor neun Jahren lag die Zahl der Arbeitslosen bei 25.937 und damit erheblich über dem Stand vom Dezember 2013 (18.730). Das und die Tatsache, dass Bochum angesichts seiner Größe im Vergleich mit anderen Revierstädten wie Dortmund (12,5 Prozent), Essen (12,3), Duisburg (16) oder Gelsenkirchen (16,2) ähnlicher Kategorie eine niedrige Arbeitslosenquote aufweist (10,1 Prozent), sind positive Daten.
Sie täuschen aber nicht darüber hinweg, dass sich die Lage verschlechtert hat. Binnen eines Jahres ist die Zahl der Arbeitslosen in der Stadt um 1.032 Personen gestiegen und damit so hoch wie seit 2007 (18 858) nicht mehr, die Quote stieg zwischenzeitlich auf bis zu 10,7 Prozent an. Die Aussichten mit den angekündigten Entlassungen und Schließungen bei Opel, Outokumpu und Jahnel Kestermann sind auch nicht viel besser.
Die Hälfte ist langzeitarbeitslos
Sorge bereitet Luidger Wolterhoff mehr denn je die Gruppe der Langzeitarbeitslosen, die etwa 50 Prozent der 18.730 Ende 2013 beschäftigungslosen Bochumer ausmacht. Vom „harten Kern“, der in diesem Jahr die größte Herausforderung für Arbeitsagentur und Jobcenter bilde, spricht der Agentur-Chef. Auch wenn er von einer Belebung auf dem Arbeitsmarkt, wie es im Fachjargon heißt, ausgeht: „Wer einmal, aus welchen Gründen auch immer, in der Langzeitarbeitslosigkeit gestrandet ist, hat es sehr schwer, diese wieder zu verlassen.“ Zumal viele der Betroffenen keine abgeschlossene Ausbildung haben, oft nur mangelhaft deutsch sprechen oder gesundheitlich stark eingeschränkt sind.
Qualifizierung wird noch wichtiger
Da in den vergangenen Jahren „viele Helfertätigkeiten“, so Wolterhoff, im Zuge des Strukturwandels unwiederbringlich weggefallen sind, heißt das Schlüsselwort mehr denn je „Qualifizierung“ – in fachlicher Hinsicht, aber auch in sprachlichen Fähigkeiten.
„An finanziellen Möglichkeiten hapert es dabei in Bochum nicht“, sagt Wolterhoff. Mittel für Umschulungen und Fortbildungen stünden genügend zur Verfügung. Im abgelaufenen Jahr hat die Agentur für ihren Bereich Bochum/Herne insgesamt 7,4 Millionen Euro ausgegeben; allein 5 Millionen Euro entfielen dabei auf Bochum. Dafür wurden 1.800 Personen weiterqualifiziert. Außerdem standen dem Jobcenter Bochum 6 Millionen Euro zur Verfügung, mit denen die Weiterbildung von 2.200 Frauen und Männern finanziert wurde – insgesamt also 11 Millionen Euro und 4.000 Personen in weiterbildenden Maßnahmen. Die Erfolgsquote, eine Anstellung spätestens sechs Monate nach der Qualifizierung, liegt nach Auskunft der Agentur bei SGB II-Empfängern bei 50 Prozent, bei SGB III-Empfänger sogar bei 75 Prozent.
Finanzielle Einbußen
Dennoch erreichen die Angebote zur Fortbildung nicht immer diejenigen, die sie eigentlich dringend nötig haben. So verzichteten mitunter Langzeitarbeitslose aus finanziellen Gründen auf eine Umschulung und damit auf eine bessere Ausgangslage bei der Jobsuche, weil sie in dieser Zeit von bis zu zwei Jahren lediglich die Grundsicherung beziehen und damit u.U. finanziell schlechter dastehen. . So wie früher, argumentiert Wolterhoff, müsste die Bereitschaft zur intensiven Qualifizierung aber honoriert und nicht durch geringere Leistungszahlungen erschwert werden.
Firmen greifen zu selten auf „Ü 50er“ zurück
Schneller als viele erwarten wird auch der Bochumer Arbeitsmarkt den Fachkräftemangel zu spüren bekommen. Momentan sei die Zahl der Branchen, in denen arbeitslose Fachkräfte sofort wieder einen neuen Job antreten können, begrenzt. Gut ausgebildete Pflegekräfte oder Elektriker gehören dazu. Auf absehbare Zeit werden aber auch andere Handwerker, Industriearbeiter oder Dienstleister jeder Art von der Überalterung der Gesellschaft und damit dem wachsenden Mangel von Beschäftigten profitieren. Allerdings nur dann, wenn sie auch gut ausgebildet sind.
Noch zu selten profitieren ältere Arbeitnehmer von diesem Trend. Noch sehen sich Firmen meistens nicht gezwungen, arbeitslose Ü 50-Fachkräfte einzustellen, um ihre offenen Stellen zu besetzen. „Da gibt es noch Aufklärungsbedarf“, sagt Bochums Agentur-Chef Luidger Wolterhoff. „Ü50er“ mit abgeschlossener Ausbildung und Ungelernten im Alter bis 35 Jahre seien die Hauptgruppen, um die sich die Agentur kümmern müsse. Für viele andere Arbeitssuchende schaffe der Markt häufig beinahe automatisch – durch Angebot und Nachfrage – eine Lösung.
Stellen sind in der Pflege und in der Logistik zu haben
Mitarbeiter für Pflegeberufe und im Logistikbereich werden weiterhin hauptsächlich gesucht. Auch Fachkräfte für Elektroarbeiten, das Handwerk, Anlagenmechaniker sowie Call-Center-Agenten seien im Raum Bochum gefragt, so die Arbeitsagentur.
Bei der Qualifizierung von Arbeitssuchenden sei aber nicht die Situation auf dem Arbeitsmarkt und die nachgefragten Berufe das entscheidende Kriterium. Die Arbeitsagentur lege vielmehr das Gewicht auf die individuellen Voraussetzungen des Kunden.
Abhilfe können gerade für Landzeitarbeitslose dauerhaft nur neue Stellen sorgen. Von denen aber hat es 2013 zu wenige gegeben. 8.731 neue Stellen wurden der Agentur im Vorjahr gemeldet, 1.424 weniger als noch 2012.
Mittelfristig hofft Agentur-Chef Luidger Wolterhoff auf Besserung. Er geht davon aus, dass die Arbeitslosenquote unter 10 Prozent sinken wird. Eine spürbare Reduzierung um zwei Prozent oder noch mehr in den nächsten Jahren hält er aber für ausgeschlossen – trotz des sich abzeichnenden Fachkräftemangels.