Bochum. „Einmal Faden und zurück“ lautete der Workshop, bei dem Mädchen zwischen neun und 14 Jahren die für viele unbekannte Welt der Kleidungsproduktion kennenlernten. Sie erfuhren zum Beispiel, dass ein T-Shirt von der Fabrik zur Ladentheke manchmal eine Reise von 40.000 Kilometern hinter sich hat.

Welches Kind würde vermuten, dass ein T-Shirt von der Kaufhausstange um die Ecke für knapp fünf Euro manchmal schon mehr als 40.000 Kilometer zurückgelegt hat? Oder dass der Anfang einer Jeans in einem kleinen Samenkorn liegt? „Manches wusste ich über die Herstellung der Kleidung noch nicht“, sagt die zehnjährige Sophia am ersten Tag eines zweitägigen Workshops, den die Jugendakademie des Matthias-Claudius-Sozialwerks (MCS) in Kooperation mit dem USB in dessen Räumen an der Hanielstraße anbot.

In dem Ferienkurs „Einmal Faden und zurück“ vermittelt die Kulturanthropologin und Textilwissenschaftlerin Agnes Motz Mädchen zwischen neun und 14 Jahren eine realistische Vorstellung davon, welche Stationen Baumwollstoffe auf ihrer Reise von der Plantage bis zur Ladenzeile passieren. Nachhaltigkeit und die Arbeitsbedingungen bei der Produktion von Kleidung waren ebenso Thema wie die Geschichte der Mode oder die vielen Funktionen von Kleidung. „Die Kinder sollen ein Gefühl für die Prozesse kriegen“, so Motz, die auch als Kunstvermittlerin im Museum Bochum tätig ist. „Deshalb haben wir eine Art Laborsituation geschaffen, in der die Kinder die Baumwolle in verschiedenen Zuständen ertasten können, bevor sie selbst damit arbeiten.“ Sie deutet auf eine Kiste, in der die braunen Samen, flauschigen Baumwollblüten und die gesponnenen Zwischenprodukte bis zum hauchdünnen Faden bereit liegen.

„Wir wollen die Produktionsprozesse beleuchten und die Kinder sensibilisieren“

Am Ende des Raums steht eine Weltkarte, die übersät ist mit Markierungen der Orte, an denen einer der vielen Produktionsschritte eines Kleidungsstücks abläuft. Gleich daneben häufen sich auf dem Boden bunte Stoffe, die in dem Workshop wiederverwertet werden.

„Wir wollen die Produktionsprozesse auch mit Sicht auf Ressourcenschonung und Umweltschutz beleuchten und die Kinder sensibilisieren“, sagt Cordula König vom USB. „Manchmal wird die Baumwolle in Thailand gepflanzt, in Indien gesponnen, in der Türkei gefärbt und wieder woanders auf der Welt verarbeitet und verkauft“, so König, der etwas daran liegt, die Kinder auch auf alternative Umweltlabel aufmerksam zu machen.

Auch die praktische Stoffverarbeitung gehört zum Workshop: Aus bunten Stoffresten und kreativen Ideen nähten die Mädchen unter Anleitung Baumwolltaschen. „So was habe ich vorher noch nicht gemacht, höchstens mal ein Loch selbst geflickt“, sagt die 14-jährige Leonie, die sich einen violetten Totenkopf als Motiv für ihre Tasche zurechtgeschnitten hat. Die Applikation hat sie mit Nadeln festgesteckt, bevor sie sie mit der Nähmaschine befestigen wird.

Eine Alternative zum Sportverein bieten

Die MCS Jugendakademie will mit ihrem Angebot nach Angaben des Leitungsteam-Mitglieds Thomas Boutter eine Art Alternative zum Sportverein bieten: Naturwissenschaft und Technik stehen im Zentrum des Angebots für Jungen und Mädchen, die verschiedene Produktionsprozesse verstehen und selbst mitgestalten und erproben wollen. Derzeit hat die Jugendakademie etwa 40 Kurse für rund 500 Kinder im Programm. Bei den Jungen sei eine kürzlich realisierte Autowerkstatt besonders gut angekommen, so Boutter. Das Motto der Akademie lautet „Sachen selber machen“.