Bochum. Ohne Sally ist Ursula Franke weitgehend hilflos. Der Blindenführhund gibt ihr Schutz, Sicherheit, Orientierung. In einem Einkaufsmarkt in Bochum-Weitmar sollte die 51-Jährige auf ihren Begleiter verzichten. „Mutter und Sally wurden des Ladens verwiesen“, schildert Tochter Carina.

Vor sechs Jahren ist Ursula Franke erblindet. Seither weicht Sally, ein speziell ausgebildeter Assistenzhund, nicht von ihrer Seite. Auch nicht beim Einkaufen. „Um so verletzender und demütigender“ sei der Vorfall an der Hattinger Straße gewesen, sagt Carina Franke: „Mutter und ich wollten im Supermarkt in der Nähe ihres Arztes einkaufen. Plötzlich stand ein Mitarbeiter vor uns und rief: ,Mit dem Hund dürfen Sie hier nicht rein!’ Mama war total aufgelöst.“

Die Tochter (26) verwies darauf, dass ihre Mutter – „wie jeder erkennen kann“ – blind und Sally ihr Führhund ist. „Auch mehrere Kunden, die in der Nähe waren, setzten sich für uns ein. Aber der Angestellte blieb dabei: Sally musste raus. Er meinte nur: Wenn meine Mutter einkaufen wolle, könne sie ja einen Blindenstock benutzen.“

Leider kein Einzelfall

Der Filialleiter sei nicht zu sprechen gewesen. Mutter und Tochter stoppten den Einkauf vorzeitig, bezahlten und stürmten wütend nach draußen. Daheim beschwerte sich Carina Franke telefonisch bei der Zentrale der Handelsgesellschaft. „Nach Rücksprache mit der Bochumer Filiale wurden wir zurückgerufen und in aller Form um Entschuldigung gebeten.“

Ähnlichen Fall gab es schon 2010

Schon vor drei Jahren berichtete die WAZ über einen Rewe-Markt in der Bochumer Innenstadt, dessen Marktleiter ein junges sehbehindertes Paar samt Blindenführhund Kira aus dem Laden geworfen hatte: „Wir fühlen uns diskriminiert.“

Gegenüber der WAZ erklärte die Rewe-Zentrale damals, dass man entschieden habe, „Blindenführhunde ab sofort ohne Ausnahme und deutschlandweit zu tolerieren“. Eine Regelung, die der Geschäftsführerin in Weitmar bis gestern unbekannt war.

Diesem Beispiel folgte am Donnerstag Katrin Knuf, Geschäftsführerin des Einkaufsmarktes. „Wir haben das Ziel, jeden Kunden – auch und gerade mit Behinderung – zu unterstützen. Zwei blinde Stammkundinnen begleiten wir regelmäßig beim Einkaufen. Um so bedauerlicher ist der Fehler, der bei Frau Franke passiert ist“, so Katrin Knuf auf WAZ-Anfrage. Zwar sei es richtig, dass Hunde aus hygienischen Gründen grundsätzlich nicht mit in den Markt gebracht werden dürfen. „Bei einem Blindenführhund gilt diese Regel aber selbstverständlich nicht“, betont die Chefin.

„Was in dem Supermarkt passiert ist, ist kein Einzelfall“, weiß Werner Hirschmann, Vorsitzender des Blinden- und Sehbehindertenvereins Bochum. „Es gibt auch Metzgereien oder Bäckereien, in denen Blindenführhunde unerwünscht sind. Wir Blinden haben da keine Rechte. Das Hausrecht hat immer Vorrang. Etwas mehr Toleranz und Verständnis wären wünschenswert.“ Es gehe dabei auch um die Sorge vor Diebstählen. „Ein ausgebildeter Begleithund hat den Wert eines Mittelklasseautos. Den lässt man nicht gerne ohne Aufsicht an der Eingangstür zurück.“