Bochum. . Die Narben schmerzen. Doch fast noch mehr leidet Heike Lehmann (Name geändert) an den seelischen Folgen einer sechsmonatigen Tortur, die nur ein Gutes haben soll: „Mein Schicksal“, sagt sie im WAZ-Gespräch, „soll Warnung für andere Frauen sein, sich auf ein solches Risiko einzulassen.“
Fettabsaugen in Prag, Botoxspritzen in Polen, neue Brüste in Bangkok: Der Schönheitstourismus boomt. Mit Billigtarifen werben vermeintliche Fachkliniken im Ausland für ihre ästhetischen Operationen. Seit Jahren berichten die Medien über verpfuschte Eingriffe.
Heike Lehmann wähnte sich gleichwohl in guten Händen. Schon lange hatte sie den Wunsch, ihre Brüste vergrößern zu lassen. Osteuropa oder Asien schieden aus. Unter Tausenden Offerten im Internet stieß sie auf das Angebot einer Privatklinik in Belgien. 2500 Euro. Ein Schnäppchen. Gerade mal halb so teuer wie in Deutschland. „Und in Belgien“, glaubte die 53-Jährige, „dürfte ich sicher sein. Ist ja gleich nebenan.“
Im März legt sich die Altenpflegerin im Nachbarland unters Messer. Beidseitig werden Brustimplantate eingesetzt. Doch schnell bilden sich Infektionen. Es kommt zur Eiterbildung. Die Narben platzen auf. Nach drei Wochen werden die Implantate entfernt: „auf Kulanz“. Heike Lehmann ist enttäuscht, denkt aber: „Das kann ja mal passieren.“ Bereitwillig geht sie auf den Vorschlag der Klinik ein, nach drei Monaten (was Experten für viel zu kurz halten) neue Implantate einzusetzen: nur für die Materialkosten von 1000 Euro.
Doch wieder kommt es zu Entzündungen. Wieder durchleidet die Patientin schlimme Schmerzen. Wieder muss sie mehrfach nach Belgien reisen. Wieder ist eine OP (mittlerweile ist es die vierte) erforderlich. Als ihr dabei nur das linke Implantat entfernt wird, ist der letzte Rest von Vertrauen in die belgischen Operateure aufgebraucht. Am Boden zerstört, wendet sich Heike Lehmann an die Cityklinik Bochum im Europahaus.
Praxis hat Dutzende Anfragen
„Kein Einzelfall“, sagt Dr. Christian Möcklinghoff, Facharzt für Plastische Chirurgie. Es gebe Dutzende Anfragen von Patienten, die nach misslungenen Schönheitsoperationen im Ausland verzweifelt die Privatpraxis aufsuchen. „Osteuropa, Benelux, Südostasien: Das Internet ist voll mit Billigangeboten. Viele tappen in die Falle, obwohl hinreichend bekannt ist, dass die Sicherheitsstandards bei Weitem nicht so hoch sind wie bei uns.“
Dr. Möcklinghoff hält sich mit einer Bewertung der Arbeit seiner belgischen Kollegen aus rechtlichen Gründen zurück. Seiner Patientin hat er inzwischen auch das rechte, ebenfalls entzündete Brustimplantat entfernt: für 1000 Euro, „also zu einem Preis, der für uns gerade noch tragbar war.“
Für Heike Lehmann war es der fünfte Eingriff. Die Nachbehandlung dauert an. Die Kasse zahlt frei nach dem Motto „Selbst schuld“ ohne Folgekostenversicherung keinen Cent. Mitsamt der Fahrtkosten nach Belgien hat sie bisher über 5000 Euro bezahlt – und dafür nur Schmerzen an Körper und Seele erfahren. Dennoch denkt sie über eine erneute Brust-OP nach. „Dann aber nur noch in einer Praxis meines Vertrauens.“
Heike Lehmann denkt über eine Klage nach. Dafür sucht sie Leidensgenossinnen, die gleichfalls Opfer ominöser Schönheitsoperationen im Ausland wurden. Sie wenden sich an die Cityklinik Bochum, 0234/911 729 40.
Auch die Bochumer Fachärztin Dr. Michaela Montanari war vor „Discounter-Angeboten“ im Ausland. Ihr Tipp: Informieren Sie sich genau über die benutzten Implantate; schließen Sie eine Folgekostenversicherung ab.