Bochum. . „Fünf wertvolle Stunden wurden vergeudet. Jetzt müssen wir mehr denn je um Vater bangen.“ Die Familie von Wilfried R. erhebt Vorwürfe gegen die Augusta-Krankenanstalten in Bochum. R. sei zu früh und mit folgenschweren Verzögerungen entlassen worden. Die Klinik widerspricht.

Wilfried R. (Name der Redaktion bekannt) erlitt vor drei Jahren einen Schlaganfall. Im Mai versagte eine Niere. „Vater hatte ständig schlimme Krämpfe. Im Bergmannsheil wurde er für eine Woche ins künstliche Koma versetzt“, berichtet seine Tochter Nicole.

Bald hatte sich der 66-Jährige so weit erholt, dass er am 5. Juni eine Frührehabilitation in der Medizinisch-Geriatrischen Klinik der Augusta-Krankenanstalten in Linden antreten konnte. „Der Patient entwickelte sich gut. Immerhin konnte er regelmäßig allein zum Rauchen auf den Balkon gehen – auch noch am Morgen des Entlassungstages. Es gab keinen Bedarf zur Weiterbetreuung. Er war fit für daheim“, so Chefarzt Dr. Olaf Hagen.

Vor dem Aufzug zusammengesackt

Das sieht Familie R. anders. Als die Ehefrau am 17. Juni um 10 Uhr in der Klinik eintraf, um ihren Mann abzuholen, „zuckte sein rechte Bein, der rechte Arm hing herunter. Er lallte. Auf dem Weg zum Aufzug sackte er zusammen.“

Die behandelnden Ärzte hätten dennoch an der Entlassung festgehalten. Das verhinderten die inzwischen eingetroffene Tochter und der Schwiegersohn. Nach einer weiteren Untersuchung und „längeren Diskussionen“ habe der Chefarzt zugestimmt, R. ins St. Josef-Hospital verlegen zu lassen. Gleichwohl seien weitere Stunden verstrichen, ehe ein (letztlich von der Tochter alarmierter) Notarztwagen den immer heftiger krampfenden Vater in die Universitätsklinik in die Innenstadt brachte.

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„Die Entlassung von Herrn R. war zweifellos richtig“, betont Chefarzt Dr. Hagen auf WAZ-Anfrage. Er könne die Sorgen der Angehörigen verstehen. Doch bei den Untersuchungen an dem Morgen seien „keine neuen neurologischen Ausfälle“ erkannt worden. Die Krämpfe seien offenbar auf die hitzigen Debatten zwischen Ärzten, Pflegern und der Familie zurückzuführen. „Die haben dem Patienten nicht gut getan. Unter dem Stress haben sich die Anfälle entwickelt.“

Ärztekammer informiert

Familie R. hat die Ärztekammer über den Fall informiert und kündigt eine Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung an. Die Fehleinschätzung sei offensichtlich: „Als Vater im St.-Josef-Hospital eintraf, wurden wir gefragt, ob wir eine Patientenverfügung haben; man müsse mit dem Schlimmsten rechnen.“ Wilfried R. habe Tage auf der Intensivstation behandelt werden müssen: „Die vorzeitige Entlassung hätte ihn fast umgebracht.“