Bochum. . In Bochum formiert sich zunehmend Widerstand gegen das Vorgehen der türkischen Regierung Erdogan. Am Montag hatten rund 400 Menschen in der Innenstadt demonstriert - am Mittwoch gibt es einen Solidaritätsabend am Bergbaumuseum. Auch Bochumer Politiker kritisieren Erdogan scharf.
Der Protest gegen den türkischen Regierungschef Erdogan scheint auch in Bochum zu wachsen. Am Montagabend hatten sich auf dem Husemannplatz nach polizeilichen Schätzungen rund 400 Menschen getroffen, um das gewaltsame Vorgehen der türkischen Polizei gegen Demonstranten zu verurteilen. Für den Mittwoch (19. Juni) um 18 Uhr ist eine ähnliche Veranstaltung vor dem Bergbaumuseum angekündigt. Das Bündnis „Taksim ist überall“ (auch auf dem Taksim-Platz ging die Polizei gegen Kritiker vor) hat zu einem Solidaritätsabend für die Proteste in der Türkei aufgerufen. Der Veranstalter ist ein Kreis von Menschen mit und ohne türkische Migrationsgeschichte.
Derweil wächst auch unter Bochumer Politikern die Kritik an Erdogan. Sogar eine Augenzeugin der Unruhen in der Türkei ist die Bochumer Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Die Linke). „Ich bin erschüttert und entsetzt angesichts der brutalen Polizeigewalt“, sagte die im Ruhrgebiet aufgewachsene Tochter türkisch-kurdischer Eltern auf Anfrage der WAZ. Als die Polizei den Gezi-Park in Istanbul gestürmt habe, sei sie mitten im Park gewesen. Die Polizei habe die ganz friedlich dort versammelten Menschen mit „Gasattacken“ auseinandergetrieben. „Überall strömte CS-Gas durch. Man konnte vor lauter Rauchwolken gar nichts mehr sehen.“ Sie sei in ein Hotel geflüchtet. Hotelmitarbeiter hätten wegen ihre Hilfe später selbst Repressalien der Polizei erlitten. Außerdem: „Ich habe gesehen, wie die Feuerwehr Nachschub geliefert hat für Wasserwerfer der Polizei.“
„Bevor es ein Gemetzel, einen Bürgerkrieg gibt, muss Erdogan gestoppt werden“
Sevim Dagdelen, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages, glaubt, dass Präsident Erdogan die Lage „weiter eskalieren“ lasse. „Bevor es ein Gemetzel, einen Bürgerkrieg gibt, muss Erdogan gestoppt werden.“ Zum Beispiel müssten die sicherheitspolitische Kooperation ausgesetzt und die Rüstungsexporte gestoppt werden. Eine Intensivierung der EU-Beitrittsverhandlungen als Belohnung für Erdogan dürfe es auf keinen Fall geben.
Erdogan, sagte Landtagsabgeordneter Serdar Yüksel (SPD), Sohn türkischer Eltern, der WAZ „hat auf die Gewaltkarte gesetzt“. Das Vorgehen der Polizei sei „völlig inakzeptabel“. Auch er glaubt, dass der Konflikt weiter eskalieren könne. Dabei habe es für friedliche Lösungen gute Chancen gegeben.
„Im Grunde wird es sich nicht beruhigen“
Skeptisch äußert sich auch Dr. Kemal Bozay von der IFAK (Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe): „Im Grunde wird es sich nicht beruhigen.“ Am Sonntag hat Bozay im Fernsehen gesehen, wie ein Bekannter von ihm in Istanbul von der Polizei verprügelt worden sei. „Das sind Momente, die uns alle betroffen machen.“ Erdogan begreife die Türkei als sein „Eigentum“, sagt er.