Bochum. Im Bochumer Schauspielhaus sollten Schauspiel-Studenten die Wirklichkeit der weltweiten Aufstände einholen. Viel Neues kommt dabei nicht herum. Aber Wut und Renitenz retten das Stück „Kinder der Revolution“ von Regisseur Nuran David Calis.
Mitten im Publikum, in den ersten Reihen der Kammerspiele, haben die neun Folkwang-Schauspielstudenten Position bezogen. Von hier aus erzählen sie die Geschichten der Aufstände in der Welt. Jeder hat ein halbes Jahr lang mit einer „Quelle“ kommuniziert. Via Telefon, Mail, Skype, Facebook.
Das Theaterstück „Kinder der Revolution“ von Regisseur Nuran David Calis ist angetreten, die Protagonisten der weltweiten Aufstände selbst zu Wort kommen zu lassen. Um mehr zu vermitteln, als Medien üblicherweise liefern, authentischer und direkter.
Differenzierter Blick auf Krisenländer gelingt nicht
Am Anfang steht, so scheint es, Revolutionsromantik: „Grandola, Vila Morena“, die Hymne der portugiesischen Nelkenrevolution, die 1974 im Nachtradio als Fanal zum Sturz des Salazar-Regimes erklang. Dann berichtet einer nach dem anderen von der Spurensuche, der Informationssammlung. Schnell wird schon dem politisch halbwegs informierten Zuschauer klar, dass der Anspruch, einen genaueren Blick auf die Situation in Nordafrika, in Südeuropa, Russland und in den Vororten von London zu werfen, hier nicht eingelöst werden kann.
Bekannte Geschichten werden nacherzählt, Zahlen geliefert, wirtschaftliche Missstände aufgelistet. Immer dabei: der Schauspieler als Reporter, als Rechercheur, als Kommentator. Auch stets miterzählt: das Scheitern, die Sorge, das Interesse. Bebildert wird das sehr imponierend auf der wunderbaren Bühne von Irina Schickedanz mit vielgestaltig variierbarer Beton-Labyrinth-Gefängnis-Anmutung.
Wut macht "Kinder der Revolution" zu herausragendem Abend
Die Konzeption wirft längst nicht so viel Geschichte(n) ab wie wohl erhofft, und doch ist „Kinder der Revolution“ ein wichtiger, ein herausragender Abend geworden. Das liegt an seinem Furor.
Die Wut und die Renitenz der sich schon früh betrogen Fühlenden wird spürbar. Die Darsteller verkörpern dies sehr intensiv – bis in die ironischen Brechungen hinein. Am Ende erklingt noch einmal die Nelkenhymne. Revolutionskitsch? Im März 2013 wurde sie erstmals bei Protesten in Madrid gesungen. In Bochum folgte noch eine chorisch gesprochene Wutrede. Und das Publikum erhob sich mehrheitlich zum Applaus.