Bochum. Zu einer hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion versammelten sich Oberstufenschüler am Donnerstagvormittag. Visionäre Wachstumskritiker und pragmatische Politiker diskutierten, wie Wohlstand und ökologischer Lebensstil vereinbar sein können.
Keinen leichten Stand hatte der ehemalige NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) am Donnerstag bei der Podiumsdiskussion „Wachstum! ... ? Ist unser Wohlstand ökologisch-gerecht ?“ in der von Oberstufenschülern voll besetzten Aula des Neuen Gymnasiums.
Er musste sich im Anschluss den kritischen Fragen stellen wie „Sie begründen den Autobahnbau damit, dass Autos nicht mehr (in Staus) stehen. Ist das ein Grund?“, fragte Kianoosh Mani (18). Der NRW- Landtagsabgeordnete Wittke lehnte radikale Richtungswechsel zwecks Klimaschutz ab. Er sprach sich gegen „weniger Autos, sondern für „intelligentere Autos“ aus und wies daraufhin, dass technologischer Fortschritt nur durch Wachstum möglich sei.
Eingerahmt wurde Wittke von Niko Paech, Professor an der Universität Oldenburg, und Moderator Eckhard Stratmann-Mertens, die beide dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac verbunden sind. Paech erschütterte in seinem Vortrag das Wachstumsdiktat der Industriegesellschaft. „Ich habe noch kein Produkt oder eine Dienstleistung gesehen, die keine ökologischen Schleifspuren hinterlassen“, sagte er. Er setzte einem „Grünen Wachstum“, wie es heute oft gefordert wird, das Konzept der „Postwachstumspolitik“ entgegen.
„Global Player“ von neuen Produktionsideen überzeugen
In diesem radikalen Entwurf würde die Wirtschaft eine andere und die Gesellschaft unabhängiger von ökonomischem Zwängen: Die Menschen arbeiten dort nicht 40, sondern nur 20 Stunden in der Woche. Sie produzieren viele Güter in ihren Regionen und Gärten. Sie teilen, tauschen und reparieren ihr Hab und Gut, anstatt es in den Müll zu werfen. „Gärten müssen in die Städte und nicht mehr Hochhäuser“, forderte er.
Die gesparte Energie und Arbeitszeit könne so besser aufgeteilt werden und die Ausbeutung der Ressourcen in den Zweite- und Dritte-Weltländern würde unnötig, nach dieser Theorie. Die globalisierte Wirtschaft nannte Paech ein „Kartenhaus“. Sie breche zusammen, sobald einer eine Karte wegziehe.
Während Politiker Wittke und NRW-Landtagsabgeordnete Daniela Schneckenburger (Grüne) auf politische Steuerung setzten, die wie Schneckenburger es ausdrückte „einen qualitativen Wachstum“ ermöglichen sollte, wies Paech daraufhin, dass das Ziel, die Erderwärmung bis 2050 um maximal 2 Grad ansteigen zu lassen, so niemals erreicht werden könne. Rainer Einenkel, Betriebsratsvorsitzender bei Opel, betonte, dass die „Global Player“ von neuen Produktionsideen überzeugt werden müssten. „Da muss die Politik in den Clinch gehen. Doch dafür fehlt ihr oft der Mut“, so sein Eindruck.