Bochum. . Der neue Geschäftsführer des Bochumer DGB, Jochen Marquardt, will sich für eine bessere Aufteilung der vorhandenen Arbeit auf mehr Menschen und eine bessere Verteilung der Vermögen in der Gesellschaft stark machen. Das erklärte er bei einem Besuch der WAZ-Redaktion.

Eine bessere Aufteilung der vorhandenen Arbeit auf mehr Menschen und eine bessere Verteilung der Vermögen in der Gesellschaft - das sind zwei Haupttemen, für die sich Jochen Marquardt, der neue DGB-Chef der Region Ruhr-Mark, zu der auch Bochum gehört, stark machen will. Seit einigen Wochen leitet er die Geschicke der Gewerkschaft an der Alleestraße.

Mit tiefrotem Schal über dem legeren Jacket erschien der 57-Jährige gestern in der Bochumer WAZ-Redaktion zum Interview. In Bochum ist der Mann, der in Hagen wohnt, noch nicht so verwachsen; man merkt es an der Allgemeingültigkeit vieler Einschätzungen. „Im Moment erlebe ich Bochum in Neujahrsempfängen“, sagt er.

DGB-Chef sieht "Schwund von sozialer Verantwortung"

Deutlich ist seine Vorsicht, den Chef der Einzelgewerkschaften nicht mit markigen Sprüchen ins Handwerk zu pfuschen. Seine Zurückhaltung könnte sich nach einer Eingewöhnungsphase aber schnell ändern, denn auch Marquardt ist redetechnisch kein Kind von Traurigkeit. „Wenn jedes Unternehmen nur darauf achtet, wie man am billigsten produzieren kann, dann konkurrieren die sich gegenseitig kaputt“, sagte er zum Beispiel. Marquardt spricht, einen Ökonomen zitierend, von einer „Rentabilitätsfalle“.

Er beklagt bei einigen Konzernen heute „einen Schwund an sozialer und gesellschaftlicher Verantwortung“. Oft stünden nur noch Rendite und Profit im Vordergrund. Man fühle sich dort mehr und mehr nur noch den Aktionären verantwortlich. Er denkt dabei auch an General Motors. GM, befürchtet Marquardt, habe „eine andere Perspektive im Kopf als Opel zu retten“. Offenbar habe man dort „mit Chevrolet eine andere Entwicklung im Blick“. Es sei von Bochumer Seite „viel Kampf notwendig“. Von außen habe „niemand das Recht“, den Opelanern zu sagen, dieser Kampf lohne sich doch ohnehin nicht. Allerdings: „Natürlich müssen wir auch über eine Neuausrichtung nachdenken.“

Voll Vollbeschäftigung „meilenweit entfernt“

Energisch plädiert der Bochumer DGB-Chef für eine „dauerhafte Arbeitszeitverkürzung“. Die Betriebe müssten durch bessere Organisation dafür sorgen, dass die, die heute zum Beispiel eine 45-Stunden-Woche hätten, auf 30 Stunden heruntergingen, und die, die zu wenig Arbeit hätten, dafür länger arbeiten könnten. Sonst könne das Problem der Arbeitslosigkeit nicht bewältigt werden. Man lüge sich einen in die Tasche, wenn man sage, dass man auf dem Weg in die Vollbeschäftigung sei. In Wirklichkeit sei man davon „meilenweit entfernt“. Marquardt verweist dabei zum Beispiel auf billige Teilzeit- und Minijobs, die in der Beschäftigungsstatitik auftauchen, später aber nur eine karge Rente ermöglichen. „Wir sind noch nicht auf dem Höhepunkt der Altersarmut.“

Auf der anderen Seite fordert der 57-Jährige höhere Besteuerungen für Vermögende - „nicht aus Neid, sondern aus ökonomischer Vernunft“. Die Staatsverschuldung betrage über zwei Billionen Euro, das Privatvermögen aber zehn Billionen - und zwei Dritteldavon gehöre nur zehn Prozent der Bevölkerung.

Ein Freund des Kabaretts

Zuallererst ist Marquardt jetzt aber in lokaler Hinsicht gefordert. Bochum im Jahr 2020 stellt er sich so vor: „Ich hoffe, dass es eine Stadt mit einer gesunden Mischung aus Industrie und Dienstleistungsstruktur wird. Wir brauchen das eine wie das andere.“

Außer in Bochum hat Jochen Marquardt noch einen Schreibtisch in Hagen. Denn außer Bochum (und Herne) umfasst die DGB-Region Ruhr-Mark auch die Volmestadt, den Ennepe-Ruhr-Kreis und den Märkischen Kreis. Im November 2012 löste er Michael Hermund ab, der in die DGB-Bezirksverwaltung nach Düsseldorf wechselte. Marquardt hat früher als Industriekaufmann, in der Erwachsenenbildung beim TÜV, später als Projektleiter in einer Transfergesellschaft. Privat ist er leidenschaftlicher Kabarett-Besucher.