Bochum. . Der soziale Stadtrundgang mit Verkäufern des Straßenmagazins Bodo führt an Orte, die andere meist meiden. Er zeigt Bochum aus der Sicht von Obdachlosen.

Markus Neiß ist kein gewöhnlicher Zeitungsverkäufer. Seit mehr als 15 Jahren schon steht er im Bermuda-Dreieck und bietet Passanten für 1,80 Euro pro Stück das Straßenmagazins „Bodo“ an. Für das Magazin schlüpft der 50-Jährige jetzt aber auch in die Rolle eines Stadtführers. Beim Rundgang zeigt er Interessierten die Umgebung aus den Augen seiner Kollegen.

Es ist das Bochum jenseits der großen Geschäfte, Prestigebauten und warmen Wohnungen. Eines, das die rund 20 Teilnehmer, die Neiß bei der zweistündigen Führerung folgen, sonst seltener wahrnehmen. Die Beratungsstelle für alleinstehende wohnungslose Männer und der Tagesaufenthalt der Diakonie gehören zu den Punkten, die bei der Führung vorgestellt werden. Manche Orte dürfen auf kurze Nachfrage auch besichtigt werden. In der Bahnhofsmission etwa berichtet ein Ehrenamtlicher spontan von seiner Arbeit. Auch in der Notschlafstätte „Schlaf am Zug“, die Jugendlichen kurzzeitig Obdach gewährt, dürfen die Teilnehmer sich ausgiebig umsehen und ihre Fragen stellen.

„Wer dort nicht rein muss, der geht auch nicht rein.“

Nicht jede Einrichtung kennt Markus Neiß aus eigener Erfahrung. Manche seien neuer. Andere, wie die Suppenküche, habe er immer gemieden. „Wer dort nicht rein muss, der geht auch nicht rein.“ Freunde hätten ihm von alkoholisierten Besuchern und Streitigkeiten erzählt. „Ich stelle mir das sehr ernüchternd vor.“

Aber wenn Markus Neiß an öffentlichen Gebäuden wie der Stadtbücherei vorbeigeht, erinnert sich der 50-Jährige auch an die eigene Vergangenheit. „Ich hatte auch keinen festen Wohnsitz, habe abwechselnd bei Bekannten geschlafen“, erzählt er. „In der Bücherei war ich früher oft. Da war es schön warm und gemütlich. Man hat ja versucht, immer Einrichtungen zu benutzen, die erstmal kostenlos sind.“

Jeder hat eine andere Taktik

Unterwegs auf der Kortumstraße erblickt Neiß einen Kollegen, der bei eisiger Kälte in der roten Bodo-Weste seine Zeitungen anpreist. 90 Cent verdienen die Bodo-Verkäufer an jeder Ausgabe. Zehn bis 15 Stück verkaufen sie an guten Tagen, sagt Neiß. An schlechten nur fünf. „Vor Weihnachten verkauft es sich am besten.“ Aber im letzten Jahr sei das Geschäft schlechter gelaufen als erhofft. „Die Leute geben so viel für Geschenke aus wie noch nie. Bei uns sparen sie es dann wohl wieder ein.“

Beim Verkaufen habe jeder eine andere Taktik, sagt Neiß’ Kollege Otto. „Manche stellen sich nur hin und strecken den Arm aus. Ich bin aktiver und spreche die Leute höflich an.“ Nach vielen Jahren Erfahrung könne er oft schon von weitem sagen, wer als Kunde in Frage komme: „Teilweise sieht man das schon an den Gesichtern, ob jemand freundlich lächelt und dann stehenbleibt.“ Rüpelhafte Sprüche stecke er mittlerweile schnell weg. „Es gibt immer welche, die kein Verständnis haben...“

„Bodo“: Von Journalisten erstellt – von Bedürftigen verkauft

Das Straßenmagazin Bodo wird monatlich von Journalisten aus dem Ruhrgebiet erstellt. Verkauft wird es nur auf der Straße – von Menschen in sozialen Notlagen. Eine Ausgabe kostet 1,80 Euro. Die Hälfte des Preises bekommt der Verkäufer.
Stadtführungen findet jeden dritten Samstag im Monat statt. Anmeldung und weitere Informationen unter: 0231/9509780.