Bochum. . Diplom-Theologe Dirk Sondermann ist ein Meister darin, Bochumer Sagen in der Gegenwart zu verorten. Vor 20 Jahren schrieb Sondermann sein “Bochumer Sagenbuch“ mit Angaben zum Geocaching. So kann jeder, der sein Buch liest, sich auch heute noch auf die Spuren Bochumer Sagen begeben.

Der rote Schotterweg führt zu einem uralten Fachwerkkotten. Neben der Eingangstür flackert ein Windlicht. Die alte Holztür knarzt als Dirk Sondermann sie öffnet. Der Mann, dem manche gar den Titel-Sagen-Papst des Reviers anheften, bittet in ein bis zur Decke mit Büchern vollgestopftes Studierzimmer. Über dem Schreibtisch wacht ein ausgestopfter Raubvogel. An der Wand gegenüber hängt eine mumifizierte Fledermaus. „Ja, neulich war ich in Transsilvanien“, sagt Sondermann und klappt sein Notebook zu.

Sagen im High-Tech-Format

Für einen Bericht zum Thema Sagen will das High-Tech-Gerät nicht so recht passen. Aber es passt sehr, wie sich später zeigen wird.

Dirk Sondermann, Jahrgang 1960, verhinderter evangelischer Pfarrer, immerhin Diplom Theologe, Gärtner, Bochum-Freak und Sagenpapst sitzt an seinem Schreibtisch. In Sichtweite liegt ein faustischer Totenkopf, der mich immer wieder ein wenig ablenkt von meinem Ansinnen, etwas mehr zu erfahren, von Sondermanns Spezialgebiet, der Verortung der Sagen, Bochumer Sagen, versteht sich. „Wohl von meiner Großmutter habe ich das Faible für Sagen, sie hat mir früher immer Märchen erzählt“, berichtet der gebürtige Bochumer.

"Bochumer Sagenbuch"

Als er vor mehr als 20 Jahren sein „Bochumer Sagenbuch“, schrieb gab es nichts Vergleichbares. Schon gar nichts, was Sagen geografisch präzis eingemessen hätte. Geocaching auf den Spuren des Riesen Tippulus oder des Räuberhauptmanns Korte, sozusagen. Da ist Sondermann unglaublich weit vorn. „Es geht mir um eine Verknüpfung dieser Sagen mit unserer Gegenwart, der heutigen Zeit.“ Als Beispiel erinnert Sondermann an den alten Riemker Bauernhof Tappe-Tiemann. Vor vielen Jahren kam Sondermann mit Fotoapparat und Tonbandgerät dorthin, auf der Suche nach lokalen Sagen. Eigentlich kenne er keine Sage. Doch dann erzählte der Landwirt von der „Wittenwiwerkuhle“, die einst unmittelbar neben dem Gehöft lag. Eine Sage, die bereits in Sagenbüchern des 19.Jahrhunderts erwähnt wird.

Sehnsucht nach Sagen vor der Haustür

Das Internet gehört heute zur Sagenwelt. Es mag paradox klingen, doch die Sehnsucht nach Mystik, nach Sagen vor der Haustür, die befriedigt Dirk Sondermann mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts. Leseprobe aus seinem Internetauftritt: „Infotafeln an den Schauplätzen der alten Geschichten greifen das KeyVisual der Website auf, bieten Raum für die Positionierung Ihres Unternehmens und sind, mit einem QR Code versehen, Ausgangspunkt für mobile Präsentation. Podcast, App, Augmented Reality Features: Das Potenzial zur Ausgestaltung ist groß.“ Können Sagen so vermarktete werden?
Dass Sondermann über sein Faible schmunzeln kann, verrät er nicht, doch etwas versteckt im Bücherregal steht der Satire-Klassiker von Hans Traxler: Die Wahrheit über Hänsel und Gretel. Köstlich wie der „Archäologe“ Georg Ossegg dort auf den Spuren des Märchens die Reste des Hexenhauses entdeckt.