Bochum. Menschen, die sich um die Sorgen fremder Leute kümmern, benötigen nicht nur ein offenes Ohr, sondern auch ein großes Herz – wie Christine E. (Name von der Redaktion geändert). Seit 25 Jahren ist die Sechzigjährige ehrenamtlich bei der Telefonseelsorge tätig.

Es wird immer schwieriger, Menschen zu finden, die sich dauerhaft engagieren. „Die Leute ziehen häufiger um und können sich nur noch schlecht an ein Ehrenamt binden“, weiß Birgit Harnisch (48), evangelische Pfarrerin und stellvertretende Leiterin der Telefonseelsorge in Bochum. Birgit Harnisch benötigt 70 bis 75 ehrenamtliche Mitarbeiter. Aktuell sind es unter 70 Kräfte, die meisten sind weiblich.

Die kostenlose Ausbildung bei der Telefonseelsorge dauert ein Jahr. Auch deshalb ist anschließend eine mindestens dreijährige Mitarbeit erwünscht. In der Ausbildung lernen die Teilnehmer durch Selbsterfahrung viel über ihre eigene Persönlichkeit. Weitere Themen sind Gesprächsführung und Beziehungsarbeit.

Berühren lassen, aber dennoch den Abstand bewahren

„Es ist eine Kunst, sich vom Zuhören berühren zu lassen, aber trotzdem den Abstand zu bewahren“, sagt Birgit Harnisch. Diese Haltung sei entscheidend, damit das Gehörte persönlich nicht zu sehr belastet und gleichzeitig ein gutes Gespräch entstehen kann, so ihre Erfahrung. Nicht nur der Anrufer soll mit einem positiven Gefühl aus dem Gespräch gehen, auch die Telefonseelsorger selbst profitieren von ihrer Arbeit. „Es ist eine Aufgabe, an der man wachsen kann“, berichtet Birgit Harnisch.

Noch gut erinnert sich Christine E. an ihre ersten Schichten. „Ich bin hier rausgegangen wie aus einer anderen Welt. Mit vielen Themen hatte ich in meinem Leben bisher nichts zu tun und schon mal gar nicht im Klartext. So offen sprechen die meisten draußen ja nicht.“

Die Inhalte der Gespräche haben sich in den letzen Jahrzehnten teilweise verändert. Anfang der 80er Jahre trat das Thema Sucht häufiger auf. Heute spricht Christine E. öfter über Armut und Arbeitslosigkeit, erzählt sie. Eine Statistik von Birgit Harnisch zeigt zudem, dass das Thema körperliche Krankheiten von 1979 bis 2008 auf Platz 2 der häufigsten Anrufgründe von den psychischen Erkrankungen abgelöst wurde. Die Nummer 1 ist unverändert: Beziehungsfragen sind über die Jahrzehnte das meist besprochene Thema geblieben.

Während die Anrufanzahl in den letzten Jahren, laut Bundesstatistik, stabil ist, gibt es starken Zuwachs im Seelsorge-Chat. Von 2006 bis 2009 hat sich die Anzahl auf rund 4400 Chats verdreifacht.

Ausbildung beginnt im Mai 2013

Die nächste Ausbildung bei der Telefonseelsorge beginnt im Mai 2013. Sie findet einmal in der Woche in einem Abendseminar statt. Dauer: 2 ¼ Stunden. Zusätzlich gibt es vereinzelt Tages- bzw. Wochenendveranstaltungen zu besonderen Themen: zum Beispiel zur Suizidgefährdung, mit der die Telefonseelsorger regelmäßig konfrontiert sind.

Interessierte können ab sofort im Sekretariat der Telefonseelsorge eine Info-Broschüre anfordern. Die Telefonnummer: 0234/5 8511; per E-Mail an bochum@telefonseelsorge.de

Nach der Ausbildung sind die Mitarbeiter im Schnitt dreimal im Monat für vier Stunden tätig. Hinzu kommen etwa drei Nachtschichten im Jahr für je acht Stunden (sie lassen sich auch aufteilen). Alle 14 Tage steht eine Gruppendiskussion (Supervision) an, bei der die Arbeit reflektiert wird.

Die Telefonseelsorge ist rund um die Uhr gebührenfrei unter 0800/ 111 0 111 oder 0800/111 0 222 zu erreichen.