Bochum. Für den an Leukämie erkrankten Kevin (23) ist ein passender Knochenmarkspender gefunden worden. Die Typisierungsaktion am kommenden Samstag findet trotzdem statt.
Wird zur Hilfe für Leukämiekranke aufgerufen, schwingt mitunter ein Unbehagen mit: Möglichst anrührende Einzelschicksale werden genutzt, geradezu vermarktet, um massenwirksam für Typisierungsaktionen zu werben, die Patienten in aller Welt zugute kommen. Bei „Wir retten Kevin“ ist es anders: Ein Stammzellenspender ist gefunden – der Aktionstag findet trotzdem statt.
23 Jahre jung ist Kevin (sein Nachname wird auf eigenen Wunsch nicht veröffentlicht). In diesem Herbst wollte er beruflich durchstarten, eine Lehre zum Automobilkaufmann antreten. Da traf ihn die ärztliche Diagnose wie ein Schock: Blutkrebs. Vor vier Monaten begann die Chemotherapie. „Kevin hat sie halbwegs gut vertragen, ist aber sehr geschwächt und auf 40 Kilo abgemagert – und das bei 1,70 Meter Körpergröße“, berichtet seine Cousine Priti Loch (23).
"Gemeinsam für Greta" als Vorbild
Bei aller Verzweiflung, bei aller Ohnmacht: Die Familie und Freunde wollten etwas tun. Das Vorbild lieferte „Gemeinsam für Greta“. Über 3000 Menschen hatten sich im Dezember 2011 bei der Typisierungsaktion in Langendreer Blut abnehmen lassen. Das dreijährige Mädchen starb im Frühjahr trotz einer Knochenmarkspende. „Das großartige Bürger-Engagement hat uns dennoch ermutigt, mit Hilfe der Knochenmarkspenderdatei eine ähnliche Kampagne für Kevin zu organisieren“, sagt Priti Loch.
Alles ist geregelt. Die Räume in der Willy-Brandt-Gesamtschule an der Wittekindstraße stehen für den kommenden Samstag, 22. September, zur Verfügung; die professionellen und freiwilligen Helfer sind einsatzbereit. Da geschah am vergangenen Donnerstag „so etwas wie ein Wunder“ (Priti Loch): In der weltweiten Datenbank wurde für Kevin ein passender Stammzellenspender gefunden. Das ist nach wie vor ein Glücksfall. Die Chance, dass es einen registrierten Spender mit nahezu den gleichen Gewebemerkmalen im Blut gibt, liegt günstigstenfalls bei 1: 20.000. Bei selteneren Merkmalen findet sich häufig unter mehreren Millionen Menschen kein genetischer Zwilling.
Chance auf einen Treffer tendiert bei einer Aktion gen Null
Kevin wartet derzeit daheim in Hamme auf die Transplantation. „Für Kevin und uns war sofort klar: Wir halten an der Typisierungsaktion fest“, betont Priti Loch. „Es gibt noch so viele andere Menschen, die genauso dringend auf einen passenden Spender angewiesen sind. Wir wünschen uns, dass auch sie eine Überlebenschance bekommen.“
Die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) bedankt sich für die Unterstützung – auch wenn am Samstag mit einer geringeren Teilnehmerzahl gerechnet werden müsse. „Man mag es bedauern. Aber es sind Einzelschicksale mit Namen und Foto, die den Drang zur Hilfe fördern. Je jünger die Betroffenen, desto größer die Aufmerksamkeit und Resonanz. Auf eine anonyme Masse reagiert niemand“, erklärt DKMS-Sprecher Simon Stifter im WAZ-Gespräch. Den Vorwurf des Missbrauchs weist er aber entschieden zurück. Wird von Angehörigen oder Freunden eine Typisierungsaktion gewünscht, werde der Erkrankte selbstverständlich in den Fokus gerückt. „In allen Veröffentlichungen weisen wir jedoch darauf hin, dass es auch um die Hilfe für Leukämie-Patienten weltweit geht.“
Die Hoffnung, gar den Anschein zu wecken, bei einer Typisierungsaktion den passenden Spender für einen speziellen Patienten zu finden, wäre verantwortungslos. Stifter: „Die Chance tendiert gen Null. Wir haben noch nie erlebt, dass das irgendwo gelungen ist.“ Selbst wenn: „Bis der Typisierung ein Eintrag in die Spenderdatei folgt, können Monate vergehen.“ Zeit, die Kevin und seinen Leidensgenossen meist nicht mehr bleibt.
Die Typisierungsaktion in der Willy-Brandt-Gesamtschule an der Wittekindstraße 33 läuft am Samstag von 10 bis 16 Uhr. Blut abzapfen lassen (5 ml) kann sich jeder Erwachsene zwischen 18 und 55 Jahren. Infos: www.dkms.de