Bochum. Die Aussicht auf günstiges Benzin lockt die Menschen in Bochum auf die Straße: Eine Tankstelle bietet den Liter Super am Dienstagmittag für 1,22 Euro an. Etwa 100 Autos warteten schon vor dem Start der Aktion darauf, dass der Kraftstoff sprudelt. Die ersten Autofahrer kamen bereits um zehn Uhr morgens.
Ein Liter Super für 1,22 Euro - dieses Angebot sorgt am Dienstagmittag für einen Ausnahmezustand an der Tankstelle und eines Reifenhandels im Bereich Alte Wittener Straße 40 und 42a in Bochum. Nur zwischen zwölf und 15 Uhr zahlen Autofahrer den günstigen Preis. Seit dem Morgen bilden sich lange Schlangen. Zeitweise staute sich der Verkehr auf einer Strecke von mehr als 600 Metern. Besonders auf der "Alte Wittener Straße" herrscht immer wieder absoluter Stillstand.
"Ich hoffe, dass die Polizei möglichst lange mitspielt", erklärt Gordon Janke, Filialleiter des Reifenhandels, "aber ich kann mich ja nicht selber auf die Kreuzung stellen und den Verkehr regeln." Die Verkehrslage ist anfangs chaotisch, die große Kreuzung, an der sich Wittener und Alte Wittener Straße treffen, stellt das Kernproblem dar. Eine Autofahrerin berichtet: "So was habe ich hier noch nie gesehen, die Ecke ist eigentlich ruhig. Jetzt kommen die Autos von überall und treffen sich dann in der Mitte der Kreuzung." Nichts geht mehr, es ist 11.45 Uhr.
Fast ausschließlich Bochumer Kennzeichen
Bei vielen Wartenden ist die Stimmung dennoch gut. In einem Opel Kombi arbeiten Mara (13) und Alena Kaufmann (11) aus Bochum an ihren Hausaufgaben. Englisch und Mathe. Mutter Carola erzählt: "Ich habe die Kinder gerade aus der Schule abgeholt, sie hatten eher Schluss." 40 Liter passen noch in ihren Tank. "Da sparen wir 20 Euro", strahlt die 39-Jährige. Andere lösen in ihren Autos Kreuzworträtsel, spielen Handyspiele oder hören Musik.
Hakan Demirezen hat zwei Tage zuvor seine gesamte Verwandtschaft über die Aktion informiert. "Wir sind mit vier Autos hier", sagt der 25-Jährige, "und weil ich als Leiharbeiter nicht so viel verdiene, lohnt sich das für mich auf jeden Fall." Viele nutzen die Wartezeit für ein ausgiebiges Mittagessen. So profitiert auch das benachbarte Schnellrestaurant vom großen Andrang.
Die meisten Fahrzeuge haben ein Bochumer Kennzeichen. Ortsfremde schauen staunend auf den Rückstau vor der Tankstelle. Anwohner sitzen auf Camping-Stühlen vor ihren Häusern, trinken Kaffee und beobachten das Spektakel. So wie Tanja Krüger, die direkt neben der Tanstelle wohnt. Die 42-Jährige hat sich mit ihrem Corsa schon um halb elf in die Schlange eingereiht, 18 Euro gespart. "Ist doch viel Geld heutzutage", sagt sie. Um 12.15 Uhr hat sie sich mit ihrer Mutter vors Haus gesetzt: "Das lasse ich mir nicht entgehen", meint die 42-Jährige, "es ist absoluter Wahnsinn". Sie berichtet auch von lauten Beschimpfungen unter Autofahrern, die sich durch das Verhalten anderer benachteiligt fühlten.
Belegte Brötchen für die Wartezeit
Der erste Tankwillige rückte mit seinem Wagen bereits um zehn Uhr an. Manfred Rieck aus Bochum packte sich extra ein paar belegte Brötchen ein, um sich die Wartezeit zu versüßen. "Sitzen tut auch mal gut, wenn man sonst den ganzen Tag unterwegs ist", sagt der 61-Jährige, der nebenberuflich behinderte Kinder zur Schule fährt, in Vorfreude auf die vergünstigte Tankfüllung.
Bereits um kurz nach zwölf Uhr, die Zapfsäule ist kaum freigegeben, fährt Rieck schon wieder vom Hof. Seine Bilanz: 42 Liter getankt, 21,86 Euro gespart. "Das ist echt super, ich bin sehr zufrieden", lautet sein persönliches Fazit. Auch Heike Reinecke, Pächterin der Tankstelle, erlebt einen guten Tag: "So viele Menschen. Vielleicht kommt ja der eine oder andere noch mal wieder."
Nach dem Auftakt, gegen fünf nach zwölf, fährt auch die Polizei mit Blaulicht am Schauplatz vor, um die Lage zu erkunden. Zwei Motorradpolizisten achten darauf, dass alles ruhig bleibt, und regeln den Verkehrsfluss auf der Kreuzung vor Tor 4 des Opel-Werks.
Holger Lamsfuß, Erster Polizeihauptkommissar der Direktion Verkehr in Bochum, beschreibt gegen 13 Uhr seine Sicht auf die Geschehnisse: "Die Aktion seitens der Polizei zu beenden, ist keine Option, da der Verkehr zumindest auf der Wittener Straße ungehindert fließt." Außerdem könnte der Unmut der Wartenden unter Umständen verschärft werden. Seine größte Sorge: "Wenn sich der Verkehr so weit zurückstaut, dass er die Auffahrt zur A43 erreicht, dann wird es gefährlich." Der Ernstfall tritt nicht ein.
Pro Person maximal 50 Liter
Möglich macht den Discount-Sprit eine gemeinsame Werbeaktion des Reifenhandels und der angrenzenden Tankstelle. Autofahrer zahlen zunächst an der Kasse der Tankstelle den regulären Preis. Mit der Quittung gehen sie dann zum Reifenhandel. Dort wird ihnen die Differenz zum normalen Tankpreis erstattet. Pro Person werden maximal 50 Liter Benzin verkauft. (Isch/tap)