Bochum. Leserin Patricia Rihs fuhr mit den Einkäufern von Food Niggemann aus Bochum nach Rungis bei Paris zum größten Markt der Welt.

„Ist das eine Flunder, ein Rochen oder eine Scholle?“ - Großes Rätselraten bei der Betrachtung eines flachen Fisches. Es ist kurz nach zwei Uhr in der Nacht und in der Fischhalle des Großmarktes in Rungis bei Paris herrscht rege Betriebsamkeit. WAZ-Leserin Patricia Rihs (21) ist unterwegs mit Frank Rademacher, Einkäufer des Bochumer Feinkost-Großhändlers Niggemann.

Zweimal pro Woch fährt der mit einem LKW hierher und kauft Ware ein. Der Großmarkt in Rungis ist der größte Markt der Welt. Auf einer Fläche, die größer ist als Monaco, existiert hier eine ganze Stadt - mit Hotels, Kneipen und Restaurants, Einzelhandelslokalitäten. Im Mittelpunkt stehen aber die Nahrungsmittel. Rungis ist der Bauch von Europa, hier landet so ziemlich alles, was essbar ist.

Herz und Hirn - dicht beisammen

Um 2 Uhr nachts öffnet die Fischhalle. Im gleißend hell erleuchteten Riesenraum bieten die Händler alles an, was das Meer zu bieten hat. Patricia Rihs staunt über spitze Schwertfische, einen großen Hai, über lebende Hummer mit zugebundenen Scheren und silbern schimmernde Aale.

Sie isst gerne Fisch, sogar Meeresfrüchte, „nur Anchovis nicht“, sagt sie. Frank Rademacher kontrolliert derweil mit Kennerblick die Kiemen der Fische, riecht kurz an den Meerestieren, um festzustellen, wie frisch die Ware ist. Dann spricht er kurz mit den Händlern - man kennt sich - und schon ist der Deal perfekt. Mit der Leine geangelter Wolfsbarsch - der angesagteste Edelfisch in Gourmet-Kreisen - ist heute besonders günstig. Doch er steht nicht auf der abzuarbeitenden Einkaufsliste, bleibt also in Frankreich.

Nächstes Ziel: die Halle mit den Innereien. Hier ist für den gewöhnlichen deutschen Gaumen wenig zu holen, dafür ist es etwas gruselig. In Patricia Rihs Mine spiegeln sich Faszination und Ekel wider. „Yummy“ kommentiert sie eine kleine Blutpfütze am Boden. Gräulicher Pansen thront neben glibbriger Leber. Kann man essen, muss man aber nicht. Ein paar Meter weiter aber eine Kombination, die überall gesucht wird: Herz und Hirn - hier nur wenige Zentimeter voneinander entfernt. Schnell weiter.

Mit blutiger Schürze am Tresen

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. © Unbekannt | Unbekannt

Der Geruch ist eindeutig. Die Käsehalle. Ein echter Tempel der französischen Lebensart. Wagenradgroße Laiber des veredelten Milchprodukts sind hier mannshoch gestapelt, feine Edelschimmelteile und runder Brie werden in kostbar wirkenden Sperrholzkistchen offeriert. Selbst um 4.30 Uhr am Morgen setzt Heißhunger ein. Nicht bei Patricia: „Ich mag eigentlich keinen Käse - nur Gouda“. Ausgerechnet der ist hier aber nicht zu finden. Vermutlich irgendwo in der Ecke.

Pause macht man in einer der vielen Brasserien oder Kneipen auf dem Gelände. Hier treffen sich die Händler auf einen kurzen Kaffee oder ein Süppchen. Mit Gummistiefeln und blutiger Schürze stehen sie an der Theke, andere - vermutlich die Chefs - genehmigen sich schon ein erstes Bierchen und machen derweil Papierkram. Crossaint oder Baguette ? Hauptsache Frühstück.

Neun Hallen voller Obst und Gemüse

Ganze neun Hallen widmen sich dem Verkauf von Obst und Gemüse. Ab 5 Uhr morgens geht es hier los. Die 21-järige wird nach einem kurzen Tief wieder richtig munter, staunt über die Farben, die Qualität, die Frische der Ware. „dafür würde ich zu Hause auch mehr zahlen“, sagt sie. Auch ist hier die Auswahl gewaltig. Bergeweise etwa der Knoblauch.

Große Knollen, kleine Knollen, wilde Knollen, geräucherte Knollen. Vampire haben keine Chance. Auffallend: viele bekannte Sorten in ungewöhnlichen Formaten. Mini-Zucchini treffen auf Maxi-Tomaten, Zwiebeln gibt es eh in allen Größen. Auch hier ist oft Rätseln angesagt, völlig unbekannte Tropenfrüchte laden zu Spekulationen ein. Wie das wohl schmeckt?

Um sieben Uhr morgens ist die Tour vorbei. Über dem Großmarkt geht die Sonne auf, die meisten Geschäfte sind gemacht. Die WAZ-Leserin ist im Auto bereits eingeschlafen, als bei der Heimfahrt kurz der Eiffelturm zu sehen ist.

Fakten:

Der Großmarkt wurde ab 1969 von den Architekten Henri Colboc und Lebret auf einem 220 Hektar großen Gelände angelegt. Er verfügt über einen eigenen Bahnhof und über 65 Kilometer Straßennetz.

Der Jahresumsatz betrug zuletz 7,767 Milliarden €. Das entspricht ungefähr dem Bruttoinlandsprodukt von Georgien.

24.000 Fahrzeuge kommen pro Nacht hierher, 1,5 Millionen Tonnen Nahrungsmittel, die hinein- und wieder hinausgeschafft werden. Am Ende der Nahrungskette stehen 18 Millionen Konsumenten, die von hier versorgt werden