Bochum. Das faszinierende Projekt von Silke und Alexander von Berswordt-Wallrabe im Schlosspark Weitmar ist seit 2005 auch als Stiftung organisiert. Die Situation Kunst kann sich so besser weiterentwickeln

An der Ruine des Hauses Weitmar wird zurzeit kräftig gebuddelt. Das alte Gemäuer mit Kunstkubus als Innenleben soll ab Oktober ein Wassergraben umschließen. Gleich dahinter, in den Konturen der Sylvesterkapelle, arbeiten Restauratoren, damit das Bauwerk nicht doch noch einstürzt.

Die Ruinen sowie einen großen Teil des Parks übergab Alexander von Berswordt-Wallrabe (68), Erbe des Hauses Weimar, 2005 der gemeinnützigen Stiftung Situation Kunst. Er schenkte sie damit den Bürgern endgültig.

Schon als junger Mann war von Berswordt-Wallrabe der Ansicht, dass der Schlosspark den Bürgern gehören sollte. „Darüber hatte ich Konflikte mit meinem Vater, der mich als Sozi beschimpfte. Im letztgültigen Testament war ich eingesetzt, obwohl er mich vorher enterbt hatte“, erinnert er sich an die Aversionen seines Vaters gegen sein linkspolitisch geprägtes Gedankengut. Wäre er wirklich enterbt worden, gäbe es diesen Hort zeitgenössischer Kunst in Bochum so wohl nicht.

Beim Spaziergang Werke entdecken

Der Park mutet an wie ein Ort, der Ruhe gibt. Wald rahmt die Fläche vor den Ruinen, die das Auge weit über Wiesen und Felder lenkt. Doch bleibt der Blick immer wieder haften. Gleich vor dem Kubus liegen lange Stahlbrammen, „Ferro Spezzato – Diagonale“ von Giuseppe Spagnulo. Sie wurden zerbrochen wie Schokoriegel. Wer oder was hat bloß solche Kraft?

Haus Weitmar

Anschrift: Schloßstraße 1, 447925 Bochum

Zustand: Ruine, gesichert

Besichtigung: Außenbesichtigung

Information:

Parken: beschränkte Parkmöglichkeiten in Nebenstraßen westl. des Schlossparks

ÖPNV: Straßenbahnlinien 308, 318, Buslinien 346, 354, 394 Haltestelle „Haus Weitmar“

Wanderwege: Ruhrhöhenweg, Rundweg um Weitmar, Wanderweg Vietingstraße – Weitmarer Holz, Radwanderweg R27

Sonstiges: Im Frühjahr 2010 soll die Ruine von Haus Weitmar in das Ensemble „Situation Kunst (für Max Imdahl)“, einen Teil der Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum, integriert werden. In der Ruine entsteht ein gläserner Kubus als Ausstellungs- und Veranstaltungsgebäude.

Dies ist nur ein Beispiel irritierender Momente inmitten des grünen Kleinods. Werke bedeutender Gegenwartskünstler wie Richard Serra, Ulrich Rückriem oder Lee Ufan geben jedem Spaziergänger die Chance, sich einzulassen auf die Idee dahinter.

Kostenlose Besichtigungen

Situation Kunst findet außer im Park aber vor allem in den vier angrenzenden Gebäuden plus Kubus statt. In drei Räumen aus der Anfangszeit etwa finden Besucher Werke der Künstler Maria Nordman, David Rabinowitch und Richard Serra. Die Dauer- und Wechselausstellungen sind mittwochs bis freitags (14 bis 18 Uhr) und am Wochenende (12 bis 18 Uhr) kostenlos zu besichtigen.

Erst seit 2005 wird Situation Kunst auch als Stiftung betrieben, doch existiert sie schon seit 1988 als Verein. Das verfügbare Stiftungskapital beträgt etwa zwei Millionen Euro und der Jahresertrag liegt bei 40 000 Euro.

Erinnerung an Max Imdahl

Die Situation Kunst soll an Max Imdahl (1925-1988), Gründungsordinarius des Kunstgeschichtlichen Instituts der Ruhr-Universität, erinnern. In Verbundenheit zu seinem verstorbenen Freund schenkte Berswordt-Wallrabe die Sammlung dem Kunstgeschichtlichen Institut. „Es ist wichtig, dass wir uns als Teil der Ruhr-Universität verstehen.

Wir können dabei aber anders agieren als die Uni“, betont Silke von Berswordt-Wallrabe, Stiftungsvorsitzende und Ehefrau vom Weitmarer Kunstvermittler. Hier könnten die Studenten tief in den aktuellen Kunstbetrieb eintauchen, erläutert sie weiter. Die Wachdienste in den Ausstellungsräumen beispielsweise werden von Studenten geleistet, es gibt Lehrräume, Bibliothek und ein Videoarchiv.

Stiftung soll Bestand schützen

Doch das enge Band zur Universität wurde organisatorisch zum Problem. Wissenschaftler sollten das Gebäude und die Sammlung pflegen. „Die Forscher arbeiteten parallel an ihren Habilitationen und konnten sich nicht genügend kümmern. Das Gebäude rottete so vor sich hin. Auch wertvolle Kunstwerke, die für 400 000 Euro restauriert wurden, waren in Gefahr“, beschreibt Silke von Berswordt-Wallrabe die damalige Situation.

Gemeinsam mit Gerhard Möller, Kanzler der Ruhr-Universität, und einem Notar brachten sie die Stiftung 2005 auf den Weg. „Der Vorteil ist, dass die Stiftung unabhängiger von der Ruhr-Universität handeln kann“, so die Stiftungsvorsitzende.

Neben Gegenwartskunst auch alte Kunst aus Afrika und Asien zu sehen

Seitdem entwickelt sich „die Situation“ weiter. Silke und Alexander von Berswordt-Wallrabe verwirklichten 2006 ein weiteres Ausstellungsgebäude. Auch hier ist Gegenwartskunst zu erleben und alte Kunst aus Afrika und Asien. Schirmherr der Afrika-Sammlung ist der Botschafter der Bundesrepublik Nigeria in der Bundesrepublik Deutschland, S. E. Prof. Tunde Adeniran.

Zum Kulturhauptstadtjahr 2010 wurde der Kubus in die Ruine eingesetzt. Ebenso in den neuen Räumen geht es nicht darum, Schätze zu horten, sondern Kunst zu vermitteln – an Studenten, an Spaziergänger, an Menschen.