Bochum.

Über die ungeheuere Zeitspanne von 1935 bis 2012 erstrecken sich die Exponate der aktuellen Ausstellung im Museum Situation Kunst im Schlosspark Weitmar. Der Künstler, der auf diese 77 Jahre umfassende Schaffensperiode zurückblicken kann, ist niemand anderer als Erich Reusch.

Der hoch geachtete Bildhauer der im Juni 87 Jahre alt wurde, gilt als „Pionier im dezentralen Raum“. Entsprechend lautet die konzeptionelle Ausrichtung der Weitmarer Kunst-Schau: „Der Raum ist das Ereignis“.

Individueller Ort

Reusch sucht seit jeher die Auseinandersetzung mit dem Raum. Bereits in den 1950er Jahren schuf er Plastiken, die nicht länger isoliert auf einem Sockel präsentiert wurden, sondern sich dem Umfeld öffneten, wodurch dieses zu einem individuellen Ort wird.

Gut nachvollziehen lässt sich diese Herangehensweise z.B. auf dem Forumsplatz der Ruhr-Uni, wo Reusch 1973 sein „Wasserrelief“ aus massivem Beton installierte. Die heute funktionslose Brunnenanlage ist gleichermaßen Kunst im öffentlichen Raum wie architektonisch prägend für das Vorfeld des Audimax.

Reusch macht durch seine künstlerischen Eingriffe Raum erfahrbar, das ist in der Stadtlandschaft so, und das gilt für die Ausstellungsflächen in der Situation Kunst. So verwandelt er die Räume im Obergeschoss in besondere, eigens wahrnehmbaren Orten. Schon kleine Eingriffe, wie farbige geometrische Formen an den Wänden, verändern die Raumwahrnehmung, indem sie den Blick des Betrachters mit immer neuen, je nach Standort veränderlichen Bezügen zwischen Fenstern, Wand, Fußboden, Ecken und der Decken versorgen.

An die Stelle autarker, für sich selbst wirkender Plastiken treten über das Umfeld verteilte Formen und Elemente – etwa kleine, an Minimal Art gemahnende Stahlkuben -, die in ihrer reduzierten Form den Blick nicht fesseln, sondern den Raum zwischen ihnen in Korrespondenz mit den Wandbildern in ein, wie der Kunsthistoriker Erich Franz es nannte, „erfülltes Spannungsfeld“ verwandeln. Von einer „Raumspannung“ und dem „Infragestellen von Blickachsen“ spricht der Künstler selber. „Solche Zusammenhänge herzustellen, ist mir wichtig“, sagt Reusch.

Neben den Skulpturen präsentiert die Ausstellung Zeichnungen und Fotografien, die einen Überblick über die Vielfalt von Reuschs Werk von 1935 bis heute geben. Tatsächlich hatte schon der Zehnjährige mit Vaters Kamera Fotos geschossen; schon damals spielten – wie im nostalgisch anmutenden, retrospektiven Teilbereich offenkundig wird – gewisse Raumbezüge eine Rolle. Wenn auch, wie vermutet werden darf, wohl eher unbewusst.

„Erich Reusch. Der Raum ist das Ereignis“ bis zum 30. September in der Situation Kunst, Nevelstr. 29c (Tel. 0234/2988901). Öffnungszeiten mi.-fr., 14-18 Uhr, sa., so., 12-18 Uhr.