Essen. Wenig Sonne, kein Tag ohne Regen: Der Sommer 2012 hat gefühlt noch nicht begonnen. Der Deutsche Wetterdienst bestätigt jetzt auch, was viele denken: Es ist so trüb wie lange nicht mehr. Konkret: So trüb wie seit 1991 nicht mehr. In manchen Städten hat die Sonne so wenig geschienen wie zuletzt 1944.

Unwetter, Gewitter, Starkregen, herbstliche Temperaturen um 15°C, Windböen bis 90 Stundenkilometer: Sommer 2012, wo bist du nur? Seit dem Start der Sommerferien in NRW regnet es jetzt sogar täglich, bestätigt der Deutsche Wetterdienst (DWD). Und einige Meteorologen sagen bereits voraus, dass im Juli keine Chance mehr auf Besserung besteht.

Grillen, Gartenparty, Spaziergänge: alles Dinge, die sich in diesem Sommer nicht frühzeitig planen lassen. Egal ob in der Mittagspause in der Kantine, beim Plausch mit dem Nachbarn oder bei Facebook und Twitter: Die Klagen über den Wischi-Waschi-Sommer sind omnipräsent. Okay, jeden Sommer gibt es Gelegenheit zum Anstimmen von Rudi Carrells nach Sonne lechzender Hymne "Wann wird's mal wieder richtig Sommer?" von 1975. Neun Jahre nach dem "Jahrhundertsommer" 2003 meinen aber nicht wenige, dass Petrus im Sommer 2012 besonders mies gelaunt ist. Aber ist es auch so schrecklich? Oder bilden wir uns das nur ein?

Diplom-Meteorologe Franz Josef Molé vom Deutschen Wetterdienst bestätigt, was viele denken: "Dieser Sommer ist bisher schlechter als üblich. Zurzeit regnet es jeden Tag, das gab es in NRW zuletzt 1998." Immerhin: Die Regenmenge sei nicht (negativ)-rekordverdächtig. Im Juni regnete es 89 Liter pro Quadratmeter, das sind "nur" fünf Liter mehr als im Vergleich zum über 30 Jahre hinweg gebildeten Mittelwert . Aber das ist auch schon fast die einzige positive Nachricht: "Der Sommermonat Juni war der trübste Monat seit 1991", nennt Molé im Gespräch mit der WAZ-Mediengruppe die nächste "Trauerbotschaft".

Wetter in Duisburg und Bochum auffallend anders

Werden wir noch konkreter: Der Juni in NRW war nach DWD-Angaben mit 14,8 Grad Celsius 0,6 Grad zu kalt. In Essen war er mit 14,9 °C 0,8 Grad zu kalt. Die größte Abweichung in NRW gegenüber dem 30-jährigen Mittelwert verzeichneten Duisburg mit -1,7 Grad (15,6°C anstelle von 17,3°C) und Bochum sogar mit -1,9 (14.9, anstelle von 16,8°C). "Bochum war damit das absolute Schlusslicht in Deutschland, ist nicht der kälteste Ort, aber hat die größte Abweichung zum sogenannten Klimamittel", erklärt Molé.

An einigen Mess-Stationen gab es im Juni so wenig Sonne wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. In Gütersloh wurde zum Beispiel der Negativrekord aus dem Jahr 1944 unterboten. In NRW schien die Sonne im Schnitt insgesamt nur 128 Stunden lang - normal wären 184 Stunden gewesen. Das war der letzte Platz im bundesweiten Sonnenschein-Ranking.

Heftige Regenfälle in NRW

Schwere Unwetter in NRW: In Witten blieb dieses Auto im Hochwasser stehen. Der Verkehr kam teilweise zu Erliegen.
Schwere Unwetter in NRW: In Witten blieb dieses Auto im Hochwasser stehen. Der Verkehr kam teilweise zu Erliegen. © Walter Fischer
Polizei und Feuerwehr mussten anrücken.
Polizei und Feuerwehr mussten anrücken. © Walter Fischer
Einsatzwagen in der gefluteten Straße.
Einsatzwagen in der gefluteten Straße. © Walter Fischer
Manche Senke lief da schnell voll.
Manche Senke lief da schnell voll. © Walter Fischer
Am Ende half vereintes Schieben.
Am Ende half vereintes Schieben. © WAZ FotoPool
Starke Regenfälle überfluteten in Bochum-Weitmar bei einem Unwetter die Straßen.
Starke Regenfälle überfluteten in Bochum-Weitmar bei einem Unwetter die Straßen. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
Starke Regenfälle überfluteten in Bochum-Weitmar bei einem Unwetter die Straßen.
Starke Regenfälle überfluteten in Bochum-Weitmar bei einem Unwetter die Straßen. © Ingo Otto / WAZ FotoPool
An der TU Dortmund ist nach dem Unwetter eine Decke im Hörsaal 1 runtergekommen. Die darunterliegenden Räume wurden überflutet.
An der TU Dortmund ist nach dem Unwetter eine Decke im Hörsaal 1 runtergekommen. Die darunterliegenden Räume wurden überflutet. © WNM
An der TU ist nach dem Unwetter eine Decke im Hörsaal 1 runtergekommen. Die darunterliegenden Räume wurden überflutet.
An der TU ist nach dem Unwetter eine Decke im Hörsaal 1 runtergekommen. Die darunterliegenden Räume wurden überflutet. © WNM
An der TU ist nach dem Unwetter eine Decke im Hörsaal 1 runtergekommen. Die darunterliegenden Räume wurden überflutet.
An der TU ist nach dem Unwetter eine Decke im Hörsaal 1 runtergekommen. Die darunterliegenden Räume wurden überflutet. © WNM
Von wegen Bikini - ein Wetter für Pumpen, Schläuche und Regenschirme.
Von wegen Bikini - ein Wetter für Pumpen, Schläuche und Regenschirme. © Walter Fischer
Ein gutes Wetter zum Barfußlaufen, da werden die Schuhe wenigstens nicht nass.
Ein gutes Wetter zum Barfußlaufen, da werden die Schuhe wenigstens nicht nass. © Walter Fischer
Auch Bochum wurde von dem Starkregen nicht verschont.
Auch Bochum wurde von dem Starkregen nicht verschont. © Stefan Arend / WAZ Fotopool
Bei solch einem Wolkenbruch hilft...l
Bei solch einem Wolkenbruch hilft...l © WAZ
...auch ein Regenschirm nur ein wenig. Dann schon eher...
...auch ein Regenschirm nur ein wenig. Dann schon eher... © WAZ
...kreative Ideen wie diese.
...kreative Ideen wie diese. © Walter Fischer / WAZ FotoPool
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Der Juli ist in NRW hingegen trotz des nasskalten Starts aufgrund der höheren Temperaturen am Monatsanfang bisher nur 0,2°C zu kalt. "Es regnet aber", so Molé, "nach wie vor zu viel und zu oft und auch die Sonne scheint zu selten." Die Halbzeitbilanz des Sommers fällt daher dürftig aus: In NRW sind bereits 65 Prozent des "Regensolls" erfüllt, aber erst 36,4 Prozent des "Sonnen-Solls". Speziell im Ruhrgebiet ist etwa in Duisburg bereits zur Halbzeit 79 Prozent des "Regensolls" erfüllt.

Wie es mit dem Wetter weitergeht

Wetter.net-Experte Dominik Jung geht davon aus, dass ein Sommerhoch im Juli nicht mehr ansteht: "Was den Hochsommer betrifft, können wir den Juli getrost abschreiben." Jungs Kollege vom DWD, Franz Josef Molé, hält so eine Prognose für nicht seriös. Er schließt sogar eine "Überraschung" am Anfang kommender Woche nicht aus. "Zum ersten Mal in diesem Sommer könnte sich die Großwetterlage sogar ändern."

Soll heißen: Ein relativ beständiges Hoch könnte das Wetter in Deutschland bestimmen. Fest stehe allerdings noch nichts. Zehren müssen die sonnensüchtigen Deutschen zunächst an den Sonnenstrahlen am kommenden Mittwoch. Dann gibt's laut Molé ein kurzes Zwischenhoch-Intermezzo, mit Temperaturen von 21 bis 25°C. "Das ist aber nicht so sicher, als dass man eine Gartenparty planen könnte", warnt der Experte vor eindeutigen Prognosen.

Wo Sie im Urlaub Sonne satt bekommen 

"Südeuropa muss das Reiseziel für alle heißen, die Sonne und Wärme suchen", empfiehlt der wetter.net-Metereologe Dominik Jung. Griechenland ächzt unter einer Hitzewelle. In der Hauptstadt Athen weht kein Lüftchen, das Thermometer zeigt 36 Grad. Auf Mallorca erwarten Urlauber 34 Grad, in Rom 30 Grad. "Da ändert sich in den nächsten Tagen auch nicht viel dran." Wer gerne in Deutschland Urlaub machen möchte, dem rät Jung am ehesten noch einen Küstenbesuch. "Am besten fahren Sie jedoch in einen Wellness-Tempel mit Solarium", scherzt der Metereologe über das unbeständige Wetter.

Auch Bauern ärgern sich über den verregneten Sommer. In NRW sei die laufende Ernte wegen des regnerischen Wetters ins Stocken gekommen, sagte ein Sprecher der Landwirtschaftskammer NRW. Derzeit sei das aber nicht so schlimm für die Bauern, weil kein Hagel die Ernte zerstört habe: "Noch ist alles drin." Sollte das Wetter beständiger werden, ließen sich noch ordentliche Ergebnisse beim Getreide erzielen. Die Gemüsebauern freuen sich ebenfalls über Regen: Sie müssen bei Niederschlag weniger selbst bewässern.

Modehändler bleiben auf Sommer-Klamotten sitzen

Noch ärgerlicher als die Bauern reagiert der Einzelhandel. Durch das schlechte Wetter werden die deutschen Modehändler ihre Sommerware nicht los - dabei stapelt sich schon die Herbst- und Winterkollektion im Lager. Das schlechte Wetter halte die Leute vom Besuch in den Innenstädten ab, bedauert der stellvertretende Hauptgeschäftsführer vom Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels (BTE), Siegfried Jacobs. "Die Frequenz in dein Einkaufsstraßen ist geringer als im Vorjahr", sagte Jacobs der "Welt" (Montagsausgabe).

Hochwasser in Witten

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Vergessen darf man bei der ganzen Wetterdiskussion nicht: Blickt man zurück auf die vergangenen 30 Jahre, so verzeichnen die Meteorologen während des Sommers von Anfang Juni bis Ende August eine Durchschnittstemperatur von 16,2 Grad und eine Niederschlagsmenge von 243 Litern. "Trotzdem bewerten alle den Sommer als ganz mies. Mit Statistik kann man den Menschen dann nicht kommen. Die bewerten einen Sommer nur danach, ob es regnet oder nicht", fasst wetter.net-Experte Jung zusammen. (mit dapd)