Bochum/Rüsselsheim. Nach nur 15 Monaten im Amt tritt Karl-Friedrich Stracke als Opel-Chef zurück. Die Zukunft des Bochumer Werks ist ungewisser denn je. Autoexperte Dudenhöffer vermutet: „Jetzt kommt das Modell: Sanierung amerikanisch.“

Die Hoffnungen waren groß, als Karl-Friedrich Stracke die Führung von Opel übernahm. Endlich stand wieder ein Deutscher an der Spitze des traditionsreichen Autobauers. Jahrelang hatte Stracke in der GM-Zentrale in Detroit gearbeitet. Seitdem spricht der Deutsche mit amerikanischem Akzent. Stracke galt als Mann, der den US-Mutterkonzern General Motors (GM) besonders gut versteht.

Doch zuletzt hatte das Management in Detroit offenbar kein Verständnis mehr für den Mann in Rüsselsheim. Nun muss Stracke überraschend seinen Posten räumen und Platz machen für einen Amerikaner.

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Am Ende war es ein kurzes Gastspiel von Stracke. Erst im April 2011 übernahm der 56-Jährige den Chefposten der Adam Opel AG, noch vor wenigen Monaten wurde Stracke zum Präsidenten von General Motors Europe ernannt. Dieser Tage sprach er noch ausführlich über seine Zukunftspläne für den Konzern: neue Modelle, eine Qualitäts- und Service-Offensive, die Exportstrategie. Sollten die Pläne überhaupt Bestand haben, müsste sie ein anderer Manager umsetzen.

Nachfolger-Suche läuft bereits

Einer offiziellen Mitteilung des Konzerns zufolge bekommt Stracke künftig „Sonderaufgaben“ von General Motors, was immer das heißen mag. Die Geschäfte von GM in Europa soll kommissarisch Stephen Girsky führen, ein Amerikaner, der bislang der starke Mann im Opel-Aufsichtsrat war. Angeblich läuft die Suche nach einem Nachfolger für Stracke bereits.

Ob er wirklich aus freien Stücken gegangen ist? Offiziell ließ sich Stracke mit den Worten zitieren: „Ich verlasse diese Position im Wissen, dass Opel/Vauxhall in eine gute Zukunft steuert – und freue mich, für GM andere Aufgaben zu übernehmen.“

„Mutter nicht auf der Tasche liegen“ 

Doch es scheint, als habe die Konzernmutter GM die Geduld mit ihrer deutschen Tochter Opel verloren. „Unsere Mutter will, genau wie wir, dass Opel wieder voll punktet. Aber unsere Mutter ist zu Recht ungeduldig mit uns“, hatte Stracke noch in dieser Woche der Bild-Zeitung gesagt. Und: „Wir dürfen unserer Mutter nicht länger auf der Tasche liegen.“

Stracke blieb glücklos. Eigentlich sollte nach den Kostensenkungsplänen unter seinem Vorgänger Nick Reilly eine Steigerung der Erträge im Vordergrund stehen. Doch Europas Finanzkrise erwischte auch Opel mit voller Wucht. Die Verkaufszahlen brachen ein. „Jetzt kommt das Modell: Sanierung amerikanisch“, vermutet der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Die ständigen Strategiewechsel seien kaum noch nachzuvollziehen, kritisiert er. „Das ist Chaos pur. Der Niedergang wird beschleunigt. Ich habe jede Hoffnung verloren, dass die Sanierung noch gelingt“, sagt Dudenhöffer. Auch für das Bochumer Opel-Werk verdüstere sich die Perspektive.

Leise Hoffnung in Gewerkschaftskreisen

Dem Ruhrgebietswerk droht in absehbarer Zeit die Schließung, da nach dem Ende der aktuellen Zafira-Produktion im Jahr 2016 kein neues Modell für den Standort vorgesehen ist.

Aus Gewerkschaftskreisen in NRW war Erleichterung zu vernehmen über Strackes Rückzug. Den bevorstehenden Kraftakt, Opel aus der Krise zu führen, hatte ihm das Arbeitnehmerlager schon lange nicht mehr zugetraut. Sparprogramm, Produktoffensive, die Neuverteilung der Modelle auf die Werke in Europa – all dies sei für Stracke eine Nummer zu groß gewesen, war in Hintergrundgesprächen seit Monaten zu hören. Als Stracke vor einigen Tagen zur Belegschaftsversammlung nach Bochum gereist war, ließ ihn die Belegschaft einfach sitzen.

Im Arbeitnehmerlager gibt es auch die Hoffnung, endlich „produktiver und konstruktiver“ mit der Opel-Führung verhandeln zu können. Denn bisher hatte man das Gefühl, mit einer „Marionette“ zu reden, die nichts zu entscheiden hat. Künftig verhandelt man mit dem Mann, der die Fäden ohnehin schon in der Hand hielt: Stephen Girsky. Er gilt Gewerkschaftern als kompetenter und vor allem tatkräftiger als Stracke.

Solidarität mit Opel in Bochum

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