Bochum. . Ein Mehrfamilienhaus im Bochumer Stadtteil Hamme brennt sechsmal innerhalb von nur drei Wochen. Die Polizei geht von Brandstiftung aus, ermittelt - bislang ohne Ergebnis. Die Bewohner haben Angst vor dem unheimlichen Brandstifter und finden kaum noch in den Schlaf.

Aus dem Keller dringt immer noch der beißende Geruch von Verbranntem, von Rauch. Und auch oben, in der zweiten Etage, wo sie wohnt, riecht es so, als ob das Feuer eben erst gelöscht worden sei. 76 Jahre alt ist die Dame, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Ein Alptraum, was sie zur Zeit durchmacht. Sechsmal in nur drei Wochen hat es in ihrem Haus im Bochumer Stadtteil Hamme gebrannt. Die Polizei geht von Brandstiftung aus, sucht verzweifelt den Täter. Die alte Dame schläft währenddessen, wie sie sagt, nur noch mit offenen Augen.

Es beginnt, relativ harmlos, mit einem Kellerbrand. Am 11. Mai um 19.24 Uhr rückt die Bochumer Feuerwehr erstmals in Richtung Reichsstraße 4 aus. Noch ahnen die Einsatzkräfte nicht, dass sie schon bald jeden einzelnen Bewohner dieses 50er-Jahre-Mietshauses kennen werden. Und wer die Internet-Seite der Feuerwehr besucht, kann nachvollziehen, wie das Geschehen auch in deren Kreisen an Dramatik gewinnt: „Erneut Kellerbrand in Hamme“, heißt es am 14. Mai, „Viertes Feuer im selben Haus“ (20. Mai) und „Schon wieder Kellerbrand ... sechstes Feuer im selben Haus“ (29. Mai). Zweimal erleiden Bewohner sogar Rauchvergiftungen, müssen sie im Krankenhaus behandelt werden.

Feuerwehr und Kripo stehen vor einem Rätsel

„Wir rechnen in der Leitstelle jeden Moment damit, dass es wieder heißt: ‘Reichsstraße 4’“, sagt Wehr-Sprecher Simon Heißen und: „Das nehmen wir sehr ernst, schließlich ist noch niemand festgenommen worden. Und wir gehen davon aus, dass Menschenleben in Gefahr sind.“

Vor einem Rätsel steht auch die Bochumer Kriminalpolizei, die wegen Brandstiftung ermittelt. Nach dem vierten Brand dort, dieses Mal im zweiten Stock, nimmt sie einen Tatverdächtigen fest. Dennis, 26 Jahre, arbeitslos und Bewohner jener Wohnung, in der am 20. Mai kurz vor zwei Uhr nachts, plötzlich ein Stuhl Feuer gefangen haben soll. Dennis wird allerdings bald wieder freigelassen, obwohl die Polizei noch gestern in diesem Zusammenhang von „einigen merkwürdigen Dingen“ spricht. Seine Mutter Bettina Paulmann beschwört, ihr Sohn sei „es wirklich nicht gewesen!“

Sie selbst habe „richtig Angst“, jedes Geräusch mache sie nervös. „Ich suche mir eine neue Wohnung, ich halte es hier nicht aus“, sagt die 46-Jährige, die selbst im Hochparterre wohnt. Wie die Polizei geht auch sie davon aus, dass der Täter aus dem Umfeld des Hauses stammt. „Das muss jemand sein, der einen Schlüssel hat. Unser Keller ist schließlich immer abgeschlossen“, sagt Bettina Paulmann.

Kein Vorzeige-Quartier

Die Bochumer Reichsstraße ist trotz manch frisch getünchter Fassade alles andere als ein Vorzeige-Quartier. Viele Ausländer leben hier, wenige Deutsche. Ärmere Menschen vor allem, arbeitslose. Ärger im Haus, unter den Mietern, habe es jedoch nicht gegeben, betonen alle. Man lebt offenbar eher nebeneinander her. Mit dem Vermieter, einem Bochumer Makler, der das Haus vor 14 Jahren erwarb, verstehe man sich gut.

Es ist etwa 22.40 Uhr am Dienstag letzter Woche, als Christian Roßbach von seiner Arbeit im Supermarkt nach Hause kommt. Roßbach wohnt direkt gegenüber und parkt gerade seinen Wagen ein, als er Rauch aus dem Dach aufsteigen sieht. Wieder brennt jede Menge Müll, diesmal im Dach. „Ich bin raus aus dem Auto, habe an Frau Paulmanns Fenster geklopft und sie rausgeholt“, erzählt er. Da hatten allerdings die Rauchmelder, die der Vermieter nach den ersten Bränden installiert hatte, längst angeschlagen. „Ich habe keine Erklärung für das, was hier passiert“, sagt auch Roßbach.

Bewohner haben Angst

Die Menschen in der Bochumer Reichsstraße verstehen es nicht, sie haben Angst. Sechsmal in drei Wochen brannte es, sechsmal kam die Feuerwehr in großer Besetzung. Zum Schluss mit 25 Leuten, mit Löschzug, Notarzt, Rettungswagen und Gerätewagen inklusive Atemschutz.

Doch auch darüber wird in der Reichsstraße geredet: Die Nummer 4 werde bald verkauft, sei es vielleicht schon. Ein Telefonat mit dem Besitzer bestätigt das tatsächlich. Er führe seit einiger Zeit Verkaufsverhandlungen, lange vor dem ersten Feuer. Der Verkauf und die Brände hätten jedoch nichts miteinander zu tun. „Ich werde bald siebzig. Deshalb will ich verkaufen“, sagt er. Ob die Bochumer Polizei darüber schon informiert war, ließ sich am Donnerstag nicht klären. Während der laufenden Ermittlungen äußere man sich nicht dazu.