Bochum. Ihr Auftrag: hilfsbedürftigen Menschen zu helfen. Aber was ist, wenn die sich nicht helfen lassen wollen? Gesetzliche Betreuer haben einen schwierigen Job.

Die Fälle von Verwahrlosung nehmen zu. „Unserer Arbeit indes sind enge Grenzen gesetzt“, betont Ulrike Wortmann, Geschäftsführerin des Evangelischen Betreuungsvereins Bochum.

Der Diakonie-Verein war vor einem Monat in die Kritik geraten. Eine 64-jährige Frau war von der Hofsteder Straße in ein Pflegeheim gezogen. Die körperbehinderte, alleinstehende Seniorin hinterließ eine komplett zugemüllte Wohnung. Türen und Möbel waren mit Vogelkot übersät, Böden, Tische und Sessel voller Unrat. ,„Wie kann das sein? Die Frau stand doch unter gesetzlicher Betreuung. Dennoch muss sie seit Jahren im Dreck und Chaos gelebt haben“, beklagten die Bochumer Wohnstätten, die die Kosten für Renovierung und Entrümpelung auf ca. 10.000 Euro beziffern.

„Es ist mitunter auch für uns ein Dilemma. Aber: Wir dürfen nicht gegen den Wunsch eines Betreuten handeln. Das verbietet das gesetzlich verbriefte Selbstbestimmungsrecht“, betont Ulrike Wortmann vom Betreuungsverein, der sich um rund 380 Menschen kümmert.

Zahl der Betreuungen steigt an

Bei der 68-Jährigen sei alles korrekt gelaufen. Die Betreuerin sei zweimal im Monat in der Wohnung gewesen: häufiger, als es die Regel ist. Pflegedienst und Putzhilfe seien beauftragt worden. Die Zustände in der Wohnung indes habe man nicht grundlegend verändern können. Die Rede ist vom Messie-Syndrom. Wortmann: „Solange die Gesundheit nicht gefährdet ist, lebt ein Mensch so, wie er leben will.“

Das bekräftigen auch die weiteren fünf Bochumer Betreuungsvereine. Die Berichterstattung über die Seniorin an der Hofsteder Straße zeichne „ein unzutreffendes Bild von Sinn und Aufgaben einer rechtlichen Betreuung“, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Jeder Betreuer sei verpflichtet, „seine Arbeit an den Wünschen und Vorstellungen der betreuten Person auszurichten“.

„Weigert sich jemand, seine Wohnung aufzuräumen, zu putzen, zu entrümpeln, hat der Betreuer im Allgemeinen keine Handhabe, dies zwangsweise durchführen zu lassen“, so die Mitarbeiter. Hinzu komme ein finanzielles Problem: „Das Sozialamt übernimmt für mittellose Betreute in der Regel nicht die Kosten für eine Entrümpelung.“ Kommt es – wie an der Hofsteder Straße – zu einem Umzug, bleibe der Vermieter auf den Kosten sitzen. „Das“, bestätigt Ulrike Wortmann, „ist so.“

Die Zahl der Betreuten in Bochum steigt seit Jahren. Das Amtsgericht führt 5164 Betreuungsverfahren. 2004 lag die Zahl noch bei 4377. Die größte Gruppe der unter Betreuung stehenden Menschen sind Senioren, die an der Alzheimerkrankheit oder einer anderen Demenz leiden.

Zu wenig Geld

Grundsätzlich sei Bochum mit Betreuern ausreichend versorgt, sagt Geschäftsführerin Wortmann. Nachholbedarf erkennt sie und alle anderen Betreuungsvereine bei der Bezahlung. Die Stundenpauschale von 44 Euro sei seit 2005 nicht einmal angehoben worden. Und: Das Stundenkontingent, das für eine Betreuung abgerechnet werden kann, sei gesetzlich strikt festgelegt: „zum Beispiel für jemanden, der in einer eigenen Wohnung lebt, bei 3,5 Stunden im Monat.“ Darin seien sämtliche Tätigkeiten des Betreuers einschließlich Besuchen, Behördengängen und Telefonaten mit allen Kosten enthalten.

Hartmut Claes vom Caritasverband glaubt zu wissen, warum die Landesregierung(en) seit sieben Jahren keine Anpassung der Betreuungspauschale vorgenommen haben: „Die Klientel, die die Betreuungsvereine vertreten, ist einfach unattraktiv für Politiker.“