Bochum. . Ruth Tietzick ist in Sorge. Die Wettervorhersagen künden von Frost, womöglich Schnee. Für den Winterdienst vor ihrer Haustür, bangt die Rentnerin, könnte sie dann „ein halbes Vermögen loswerden“.
Die 75-Jährige ist wie ihr Ehemann schwerbehindert. „All die Jahre haben wir unsere Pflicht getan. Doch jetzt schaffen wir es körperlich einfach nicht mehr, den Gehweg von Schnee und Eis zu befreien. Das sind immerhin 35 Meter“, bedauert die Anwohnerin der Dr. C.-Otto-Straße.
Beim Hausbesitzer hat das Ehepaar um eine Befreiung vom Schneeräumen und Streuen gebeten. „Angeblich gibt es Urteile, die Schwerbehinderte von der Pflicht ausnehmen.“ Doch der Eigentümer habe abgelehnt und auf den Mietvertrag verwiesen.
„Zu Recht“, betont Aichard Hoffmann, Sprecher des Bochumer Mietervereins. „Die Rechtsprechung in unserem Vereinsgebiet ist eindeutig. Auch ältere und behinderte Mieter sind zum Winterdienst verpflichtet. Wer dazu nicht in der Lage ist, muss sich selbst um eine Vertretung bemühen.“ Das haben die Tietzicks getan. Ohne Erfolg. „Verwandte oder die Nachbarn können leider nicht einspringen.“
Auf eine Schneeliste drängen
Einziger Ausweg: eine Firma, die für das Schneeräumen entlohnt wird. Und das nicht zu knapp. „Wir haben mehrere Angebote eingeholt. Der Durchschnitt liegt bei 1,50 Euro pro Meter. Ein Unternehmen gab sich mit 25 Euro pro Einsatz zufrieden“, berichtet Ruth Tietzick. Ihr Dilemma: „In unserem Haus hat jede Mietpartei eine Woche lang Schneedienst. Wenn es – wie im vergangenen Winter – in ,unserer’ Woche täglich schneit, sind die Kosten für uns kaum aufzufangen.“
Hier immerhin kann der Mieterverein den Senioren Hoffnung machen. „Der Winterdienst muss gerecht auf alle Mieter aufgeteilt sein. Davon kann bei einem Wochenplan keine Rede sein. Das ist allein eine Frage von Glück oder Pech“, erklärt Aichard Hoffmann. Betroffene Mieter sollten vielmehr auf eine Schneeliste drängen. Jeder Mieter ist einen Tag lang für Eis und Schnee verantwortlich und gibt die Liste abends an den Nachbarn weiter. Dieses Verfahren, so der Mieterverein, könne beim Ehepaar Tietzick zumindest die Kosten für den Winterdienst-Auftrag senken.
Winterdienst für Alte und Schwerbehinderte
Ebenfalls anfechtbar sei die Regelung, nach der allein die Parterre-Mieter im Winter den Gehweg entschärfen müssen. „Auch dagegen lässt sich vorgehen, weil es gleichfalls nicht gerecht ist“, so Hoffmann.
Generell hält es der Mieterverein für „nachvollziehbar“, auch Alte und Schwerbehinderte beim Winterdienst nicht auszusparen. Hoffmann: „Versetzen Sie sich in die Lage eines jungen Paares mit Kind in einem Vier-Parteien-Haus, in dem sonst nur Senioren wohnen, mit denen sich das Paar vielleicht nicht besonders ,grün’ ist – aber dennoch für alle Schnee fegen soll. . .“
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