Bochum. .

Die elektronische Orgel des Alleinunterhalters zaubert ein komplettes Party-Orchester auf die Bühne. Wo früher Saz, Bilûr (Flöte) oder die traditionelle Dahol-Trommel zum Einsatz gekommen wäre, ersetzt heute die Elektronik die Kapelle. Als westlicher Mensch wähnte man sich auf einer türkischen Hochzeit, wenn da nicht halb versteckt auf der Bühne blau oszillierend ein prächtiger Pfau in kreisrunder Ornamentik leuchtete. Dort in einem Saal, direkt neben der Katholischen Liebfrauenkirche in Altenbochum, feiern die Yeziden (auch: Jesiden) ihr Îda Êzî (Fest Gottes). Der Pfau (Tausî Melek=Engel Pfau) darf als wichtigstes Symbol dieser Volksgruppe nicht fehlen.

Die Yeziden leben ursprünglich in Kurdistan als Minderheit, werden dort wegen ihres Glaubens – einer uralten, mündlich überlieferten monotheistischen, vom Islam und Christentum unabhängigen, Religion – massiv verfolgt. Immer wieder kommt es zu schlimmen Pogromen. Dawud Reshu lebt mit seiner Familie am längsten in Bochum, in Deutschland seit bald zwölf Jahren. Mit der Zeit ist er zu einer Art Sprecher der kleinen yezidischen Gemeinde geworden. „Bei uns zu Hause ist alles kaputt, wir wollen hier in Deutschland bleiben“, sagt er. In den letzten zwei, drei Jahren setzte ein starker Zuzug nach Bochum ein. Mittlerweile, so beobachten Ifak-Mitarbeiter, die sich um die yezidischen Familien kümmern, leben rund 30 Familien mit etwa 300 Einzelpersonen hier, ein Großteil davon in der alten Arbeitersiedlung Stahlhausen.

Einführung in die Mülltrennung

„Jetzt wollen wir tanzen!“, ruft jemand. Und das elektronisch-yezidische Ein-Mann-Party-Orchester holt zu einem Crescendo aus. Beinahe die komplette Festgesellschaft, vom alten Mann bis zum festlich herausgeputzten Mädchen windet sich im Reihentanz durch den Saal. Dabei versuchen Dawud Reshu und Ifak-Mitarbeiterin Perwin Hajo zu erklären, was es heißt, Yezide zu sein, verfolgt zu werden und als Kontingent-Flüchtling eine zweite Chance zu bekommen.

Da treffen die Yeziden in Stahlhausen auf bereits alteingesessene Strukturen, türkische Familien, die schon in dritter Generation in Bochum leben. Viele der yezidischen Großfamilien, die meisten stammen aus der Gegend um i Mosul und den Bezirk Schechan, kommen direkt aus ihren Dörfern ins Ruhrgebiet. Es kommt zu bizarren Nachbarschaftsszenen: Etwa, dass türkische Frauen die Neuankömmlinge ins deutsche Mülltrennungssystem einführen.

Ein gutes Stück Arbeit

Mustafa Calikoglu, der das Integrationsbüro der Ifak in Stahlhausen leitet, weiß wie wichtig die Arbeit mit den Yeziden ist. Er sagt: „Es gibt nur einen Weg: Wir müssen die Yeziden mitnehmen.“ Der aktuelle Fall aus Detmold, die Entführung und möglicherweise Ermordung einer jungen Yezidin, ist in der Bochumer Gemeinde bekannt. Die Familie hatte die Beziehung zu einem Deutschen missbilligt und steht unter Mord-Verdacht. Der Fall weckt Vorurteile und wirft ein Licht auf tatsächliche oder unterstellte rigide Ehrbegriffe und Traditionen der Yeziden. Dawud Reshu wehrt ab: „Das ist schrecklich, so etwas lehnen wir ab. Das ist ein Einzelfall“, und erzählt von seinen Töchtern, die recht frei leben, etwa gemeinsam mit deutschen oder anderen Jugendlichen ihre Freizeit verbringen.

Doch die ausgelassene Stimmung auf dem Ida-Ezi-Fest, das das Ende der Fastenzeit markiert, täuscht die Fachleute für Integration und das ist die Ifak mittlerweile in Bochum geworden, nicht darüber hinweg, dass ein gutes Stück Arbeit zu leisten ist.