Frankfurt/Main (dapd). Die syrische Opposition ist zerstritten, und über das Vorgehen gegen Machthaber Baschar Assad herrscht Uneinigkeit. Wichtige Volksgruppen wie die Kurden, die zehn Prozent der etwa 20 Millionen Syrer ausmachen, stehen anderen Oppositionskräften, etwa den Muslimbrüdern oder arabischen Nationalisten, skeptisch gegenüber.

Auch andere Gruppen wie die Alawiten, zu denen der Assad-Clan zählt, aber auch Armenier, Assyro-Aramäer, Turkmenen und Tscherkessen betrachten die zunehmende Militarisierung des Widerstands gegen Assad mit Misstrauen. Einigen scheint der Status Quo unter Assad erträglicher als eine arabisch-nationalistisch oder islamisch dominierte Herrschaft.

Berichte über ein angebliches Abkommen der Muslimbrüder mit der islamischen Regierung des Nachbarlandes Türkei unter Recep Tayyip Erdogan schrecken vor allem die Kurden auf. Denn von einer möglicherweise türkisch beeinflussten Regierung in Syrien erwarten sie keine Verbesserung ihrer Lage, die seit Jahrzehnten durch soziale und politische Benachteiligung geprägt ist. Auch in der Türkei ist der Konflikt mit den Kurden ungelöst und fordert seit dem Sommer vermehrt Todesopfer bei militärischen Auseinandersetzungen.

Abdulbasit Sayda, ein kurdischer Philosoph, der im schwedischen Exil lebt, gehört dem Syrischen Nationalrat an, einem Oppositionsbündnis mit Sitz in der Türkei. Er dementierte energisch, dass es ein Abkommen zwischen der Türkei und dem Nationalrat gebe. Der Rat tage in der Türkei, weil andere Nachbarländer ihn nicht aufgenommen hätten, sagte Sayda in einem Interview mit dem Informationsdienst kurdwatch.

Als Sprecher eines kurdischen Blocks im Nationalrat habe er im Gespräch mit dem türkischen Außenminister Achmed Davutoglu vorgetragen, dass die Region nicht zur Ruhe kommen werde, solange die Kurdenfrage in der Türkei und in Syrien nicht gelöst sei, sagte Sayda. Der Minister habe dies akzeptiert und gesagt, dass ein Nationalrat ohne die Kurden kein Nationalrat sein könne. Im eigenen Land geht die Türkei allerdings massiv gegen kurdische Selbstbestimmungs-Bestrebungen vor.

Andere kurdische Oppositionsgruppen verfolgen einen anderen Kurs. Wie Kamal Sido, Nahost-Referent der Gesellschaft für bedrohte Völker in Göttingen, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dapd erklärte, wird derzeit eine Konferenz im nordirakischen Erbil vorbereitet. Sie habe die Gründung eines kurdischen Nationalrats für Syrien zum Ziel. Dieser solle alle Kurden repräsentieren. Kurdische Vertreter aus anderen Oppositionsgruppen sollten sich ihm anschließen.

Die zersplitterte kurdische Opposition in Syrien ist in drei Lager gespalten. Zu den beiden bedeutendsten gehört eine kurdische Nationalkonferenz mit zehn Parteien und die von der türkischen Rebellenorganisation PKK beeinflusste PYD (Partei für Demokratische Einheit). Beide verhielten sich bisher abwartend gegenüber der Opposition gegen Assad. In ihren Einflussgebieten blieb es relativ ruhig.

Der Journalist und Exil-Syrer Siruan Hadsch-Hossein ging im Gespräch mit dapd davon aus, dass es ein Stillhalteabkommen zwischen der PYD und dem Assad-Regime gebe. Die PYD versuche, die Unruhen einzudämmen und habe bereits Aktivisten bedroht. Ihr gehe es darum, Syrien als Rückzugsgebiet für die PKK zu erhalten. Hadsch-Hossein wies auch auf Verdächtigungen gegen die PYD/PKK hin, den kurdischen Oppositionellen und Anführer der dritten, kleineren kurdischen Oppositionsgruppe in Syrien, Maschaal Tamo, Anfang Oktober ermordet zu haben. Die Zukunftspartei Tamos hatte sich am aktivsten am Widerstand gegen Assad beteiligt.

Nach Ansicht des GfbV-Experten Kamal Sido führen die Spuren der Mörder des allseits geachteten Tamo jedoch in Richtung des syrischen oder gar des türkischen Geheimdienstes. Assad gebe der PKK neuerdings wieder mehr Raum, um der Türkei zu schaden, die sich immer vehementer für dessen Rücktritt stark macht.

Zwar gebe es "Meinungsverschiedenheiten" zwischen den kurdischen Parteien, sagte Sido. Einigkeit herrsche jedoch darüber, dass das Regime Assads der Vergangenheit angehöre. Die Kurden strebten bei der Neugestaltung Syriens einen friedlichen dritten Weg an. Sie wollten "keinen Islamismus und keinen Erdoganismus", betonte Sido. Kurden, Sunniten Schiiten und andere sollten in Syrien gleichberechtigt sein.

Vertreter der syrisch-kurdischen Opposition, die sich im September auf Anregung der GfbV in Göttingen trafen, versicherten in einer Resolution ihre "volle Unterstützung für die Demokratiebewegung" in Syrien und verlangten ein sofortiges Ende der Gewalt gegen Demonstranten durch das Assad-Regime. Sie sprachen sich für einen "friedlichen und demokratischen Wandel" aus.

Ferner regten die Teilnehmer des Göttinger Treffens "die Ausrichtung einer nationalen Konferenz zur Erarbeitung einer neuen Verfassung" an, die den Syrern zur Abstimmung vorgelegt werden solle. Diese Verfassung müsse "die nationalen Rechte des kurdischen Volkes sowie kulturelle Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten (...) garantieren". Dazu werden Assyrer-Aramäer, Armenier, Drusen, Ismaeliten, Bahai und Yeziden gezählt. Wichtig sei auch die Gleichberechtigung der Frauen, hieß es.

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