Bochum. .
Die Agentur für Arbeit warnt vor einer dramatischer Entwicklung. Schon heute kommen auf 100 offene Stellen für Altenpfleger in Bochum nur noch 50 Bewerber. Der Runde Tisch Pflege sucht Perspektiven.
Stell’ dir vor, es gibt Jobs, und keiner will sie haben: Dieses düstere Bild könnte im Bereich der Altenpflege mittelfristig zur Realität werden. „Noch haben wir dort nur einen Fachkräfteengpass, der aber zum Fachkräftemangel werden kann“, sagt Udo Glantschnig, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit.
Schon heute kommen auf 100 offene Stellen für Altenpfleger in Bochum nur noch 50 Bewerber, von denen ein Drittel über 55 Jahre alt oder gesundheitlich eingeschränkt ist. „Im Schnitt bleibt eine Stelle 110 Tage vakant. 2008 dauerte es noch 56 Tage, bis sie besetzt werden konnte.“
Demografischer Wandel wird Situation verschärfen
Der demografische Wandel wird die Situation verschärfen: Es wird immer mehr alte Menschen mit Pflegebedürfnis geben, und immer weniger junge entscheiden sich für die Altenpflege. Dabei ist es eine echte Zukunftsbranche: „Wer einsteigt, hat einen lebenslang gesicherten Arbeitsplatz“, versichert Agentur-Geschäftsführer Thomas Keyen.
Doch viele kehren ihm nach der Ausbildung den Rücken; die körperliche und psychische Belastung ist ihnen zu groß. „Es ist nicht die Bezahlung, die abschreckt“, so Glantschnig.
Wenn die Branche nicht umzudenken beginne, werde es in fünf bis zehn Jahren einen eklatanten Fachkräftemangel geben. Zwar bildet die Altenpflege ein bisschen mehr aus als der Berufe-Durchschnitt, doch reicht das nicht aus angesichts des steigenden Bedarfs.
Also sei ein Umdenken nötig, vor allem, so Glantschnig, bei den Arbeitgebern. 83 Prozent der Beschäftigten in der Altenpflege sind Frauen. „Die Branche muss flexibler werden, die Bedürfnisse nach Familie und Beruf mehr berücksichtigen.“
Runder Tisch Pflege als Austausch-Plattform
Die Arbeitsagentur Bochum hat vor einem Jahr den Runden Tisch Pflege ins Leben gerufen; rund 40 Einrichtungen und die Hochschule für Gesundheit nutzen ihn als Austausch-Plattform. „Dort keimt die Erkenntnis, Vorsorge treffen zu müssen. Die Altenpflege ist keine Branche, die Jugendliche mit Hurra überrennen. Pro Jahr sinkt die Zahl der Bewerber um fünf bis sieben Prozent.“
Die Arbeitgeber sollten sich auf den Nachwuchs einstellen, um ihn zu erreichen, etwa über Facebook, wenn die Berufe interessanter werden sollen.
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Überdies müssten Einzelverrichtungen auf den Prüfstand. Glantschnig: „Viele, die ausscheiden, berichten von berufsfremden Tätigkeiten, die sie machen mussten. Eine Umstrukturierung wird nicht zu vermeiden sein.“ Das ginge etwa durch Änderung der Arbeitszeiten, um Belastungen zu mindern. Oder durch Ausgliederung von Angeboten, die einer normale Pflegekraft Luft verschaffen kann, wie die Essensausgabe; „dafür ist keine examinierte Altenpflegerin nötig“.
Umschulungsmöglichkeiten zum Altenpfleger
In diesem Jahr sollen 35 Umschulungsmöglichkeiten zum Altenpfleger angeboten werden, finanziert durch die Initiative zur Flankierung des Strukturwandels. Sie dauert drei Jahre. Überdies sollen in den Heimen Qualifizierungen angeboten werden, Adressaten sind dabei vor allem die Pflegehelfer. Ein weiterer Personenkreis sind Arbeitssuchende mit Migrationshintergrund. „Auch die hier lebenden Türken werden im Alter nicht mehr ausschließlich in Großfamilien gepflegt – die Zeiten sind vorbei. Da sind entsprechende Pflegekräftem die deren Kultur und Sprache beherrschen, eine Erleichterung.“
Am 4. November soll es das erstes Ergebnis aus dem Runden Tisch einen Arbeitgebertag Gesundheit geben. In der Rewirpower-Lounge wird u.a. auch Bundesarbeits- und sozialministerin Ursula von der Leyen erwartet.