Bochum. . Die Bewohner der Hustadt wehrten sich am WAZ-Redaktionsmobil, das mitten auf dem Brunnenplatz Station machte, gegen Vorurteile. Bis 2013 soll der Stadtteil ein neues Gesicht bekommen und wieder attraktiver werden.
In der Hustadt besteht Handlungsbedarf, darin waren sich alle Beteiligten am WAZ-Mobil einig. Manche Probleme, wie fehlende Laternen, werden sich relativ schnell lösen lassen, andere, wie die bauliche Struktur, sind in absehbarer Zeit nur schwer in den Griff zu kriegen. Wichtig war den anwesenden Bewohnern der Hustadt aber vor allem eins: Sie wohnen nicht in einem Ghetto.
Erst vor wenigen Tagen wurde unweit des Brunnenplatzes ein 19-Jähriger unter Terrorverdacht festgenommen, er sitzt in Untersuchungshaft. Für die WAZ Anlass genug, sich vor Ort ein Bild zu machen und mit Vertretern von Stadt und Polizei, vor allem aber den Anwohnern am Redaktionsmobil über die Vorurteile, die über die Hustadt existieren, zu sprechen.
Die Hustadt ist nicht unsicherer als ander Stadtteile
Doch der Verdächtige sei lediglich ein „armer fehlgeleiteter Junge“, ist sich Christian Uhlig, Vorsitzender des Fördervereins Hustadt, sicher. „Er kommt aus einer voll integrierten Familie und ist eine Einzelerscheinung“, so Uhlig weiter. Überhaupt sei die Hustadt nicht unsicherer als andere Stadtteile.
Unterstrichen wird das von Zahlen der Polizei. Sowohl Einbruchs- als auch Körperverletzungsdelikte seien rückläufig im Vergleich zu den Vorjahren, sagt Torsten Juds, stellvertretender Leiter der Polizeiinspektion Bochum. Warum das dem subjektiven Empfinden vieler Bürger widerspricht, weiß Dietrich Voß vom Kommissariat Prävention und Opferschutz: „Wo Sozialkontrolle stattfindet, passieren keine Straftaten.“
Studenten wohnen woanders
Hier liegt das grundlegende Problem der Hustadt. Die städtebauliche Struktur mit vielen anonymen Hochhäusern, deren Eingänge von der Straße abgewandt liegen, lässt nur wenig gegenseitige Kontrolle zu. Das zu ändern ist äußerst schwierig, von einem „Denkfehler in der Stadtplanung“ spricht Eckart Kröck, Leiter des Planungsamtes. Vor 40 Jahren entstand die Hustadt zeitgleich mit der Ruhr-Universität als Wohnstätte für Studenten und Mitarbeiter der Uni, doch die ziehen längst andere Stadtteile vor.
„Es ist unsere Aufgabe, diese Fehlkonstruktion zu normalisieren“, sagt Kröck. 10 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung, ein Teil des Geldes, das bis 2013 ausgegeben sein muss, wurde bereits investiert. Lob erfuhr dabei die städtische Wohnungsbaugesellschaft VBW, die 650 Wohneinheiten in der Hustadt besitzt, zum Beispiel von Bezirksbürgermeister Helmut Breitkopf-Inhoff (SPD): „Bei der VBW gibt es immer einen Ansprechpartner. Aber man kann auch sehen, welche Häuser den Heuschrecken gehören.“ Spätestens 2013 soll die Hustadt jedenfalls ein „funktionierendes Stadtquartier“ sein, sagt Kröck: „Es muss nachhaltig wirken, sozial und baulich“.
„Die Kindergärten sind fantastisch organisiert"
Gelingt das nicht, befürchtet Dr. Kemal Bozay, Geschäftsführer des Familien- und Jugendhilfevereins IFAK, zunehmende Radikalisierungstendenzen unter arbeitslosen jugendlichen Migranten. „Sie haben keinen Platz in der Gesellschaft und trennen sich irgendwann von den demokratischen Grundwerten. Wir müssen ihnen in der Hustadt eine Identität geben.“
WAZ in der Hustadt
Mitschuld an der Orientierungslosigkeit vieler Jugendlicher habe auch das langjährige Fehlen eines Jugendheims, sagt Thomas von Roznowski. „Die Kindergärten sind fantastisch organisiert, aber wir brauchen auch für die Jugendlichen ein Auffangbecken.“ Dies versuchen mittlerweile viele Vereine und Organisationen wie die IFAK oder das Jugendzentrum „Hu-Town“ zu bieten. Doch Arbeitsplätze schaffen oder einen von vielen Anwesenden vermissten Nahversorger in der Hustadt ansiedeln können sie nicht. „Wir können keinen Lebensmittelladen zwingen, hierher zu kommen“, sagt Eckart Kröck, dafür lebten in der Hustadt mit 3000 Menschen zu wenige.
Doch was sie selbst bewerkstelligen können, versuchen die meisten von ihnen anzupacken. Denn, so formuliert Helmut Breitkopf-Inhoff: „Wir sind weit davon entfernt, in einer No-Go-Area zu leben.“