Bochum. . Der türkische Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk war zu Gast im Audimax der Ruhr-Universität Bochum. Dort sprach der Schriftsteller zur Frage “Was passiert mit uns, wenn wir Romane lesen?“ - und erklärte, warum Lesen für ihn wie Autofahren ist.

Der türkische Literatur-Nobelpreisträger Orhan Pamuk sprach innerhalb Veranstaltungsreihe „Herausforderung Zukunf“ im Audimax der Ruhr-Universität. „Ich saß nie am Schreibtisch und dachte: Jetzt verändere ich die Welt“, sagte er. „Eines Tages las ich ein Buch, und alles veränderte sich.“ So beginnt der Roman „Das neue Leben“ von Orhan Pamuk. Das Buch gilt als das bedeutendste literarische Werk des türkischen Schriftstellers.

Was Bücher tatsächlich bewirken und welche Rolle die Literatur eigentlich für sein Leben spielt, darüber sprach Autor Orhan Pamuk bei der Projektreihe „Herausforderung Zukunft“ im Audimax der Ruhr-Universität. „Was passiert mit uns, wenn wir Romane lesen?“ lautete der Vortrag des Literaturnobelpreisträgers, und so diskutierte Pamuk mit Gero von Boehm über die Verbindung von Literatur und Leben.

Ein Autor, der „den Menschen hinter Orient und Okzident sucht“

Er sei ein Autor, der „den Menschen hinter Orient und Okzident sucht“, sagte die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth über Pamuk. Als fünfter Redner der Veranstaltungsreihe „Herausforderung Zukunft“ war mit dem türkischen Bestseller-Autor erstmalig eine Größe aus der Kultur vertreten. An der Projektreihe, die als Dialog-Plattform für Probleme und Herausforderungen der Zukunft gedacht ist, beteiligte sich Pamuk aus seinem speziellen Blickwinkel, verwies aber gleichzeitig auf die besondere Perspektive der Poesie: „Ich saß nie am Schreibtisch und dachte: Jetzt verändere ich die Welt.“ Ist Pamuk als Schriftsteller für seine klaren Positionen bekannt, so sprach er an diesem Abend vornehmlich als Literat: Über das Lesen, Leben, Schreiben und Schaffen. Danach erst schloss Pamuk von seinen Romanen auf aktuelles Zeitgeschehen: „Ich bin Autor, kein Politiker.“

Lesen eines Romans ist wie Autofahren

Einen Roman zu lesen, das ist für den Nobelpreisträger von 2006 fast das gleiche wie „ein Auto zu fahren: Viele verschiedene Vorgänge finden gleichzeitig statt, ohne dass man sich dessen bewusst ist.“ Dem Lenken, Bremsen und auf den Verkehr achten kämen beim Lesen ähnlich komplexe Operationen gleich: Worte in Bilder umwandeln, Identifikation mit dem Protagonisten, Gegenprüfen, Bedeutungssuche.

Der Roman ist für Pamuk dabei „die literarische Kommunikation des Globus“, „eine globale Literaturgattung“, und seine Pflicht als Autor sei es dabei, zu verstehen und verständlich machen zu wollen. Ob er den fundamentalistischen Islam, dem er in seinem Roman „Schnee“ nachspüre, verstanden habe? „Keine Ahnung, ich habe den Roman geschrieben“, kontert Pamuk gewitzt, und wehrt sich auch gegen die Frage, was der Westen denn nun zu der arabischen Revolution beisteuern könne: „Ich kann keine politischen Ratschläge erteilen, als Autor kann ich lediglich mitfühlen und verstehen.“

„Die türkische Kultur nährt sich aus zwei Quellen“

Über Herkunft und Schaffensweise aber spricht Pamuk gerne: „Die türkische Kultur nährt sich aus zwei Quellen, aus dieser Vermischung ergibt sich ihr Reichtum.“ Mit seinem fantasievoll verdichteten Realismus versuche er, die europäische Literatur und die mystische Erzähltradition des Orients zu verbinden.

Doch gesteht Pamuk, dass selbst ein Nobelpreisträger vor den Tücken des Autofahrens nicht gefeit ist: „Ist man sich der Vorgänge zu sehr bewusst, kann der Autor das Buch auch vor die Wand fahren.“

Bankchef Josef Ackermann kommt

Die Projektreihe „Herausforderung Zukunft“ steht unter der Schirmherrschaft von Friedensnobelpreisträger Shimon Peres, Erzbischof Desmond Tutu sowie OB Ottilie Scholz. Seit ihrem Beginn im Juni 2007 finden in diesem Rahmen jährlich zwei Reden statt, die sich mit aktuellen nationalen und internationalen Themen beschäftigen. Referenten der vergangenen Jahre waren unter anderem der Dalai Lama (2008) und der tschechische Präsident Vaclav Klaus (2010). Der Deutsche-Bank-Vorsitzende Josef Ackermann wird im Herbst dieses Jahres der nächste Redner der renommierten Bochumer Veranstaltungsreihe sein.