Bochum. . Christian Brückner, dessen Stimme vielen Menschen bekannt ist, weil er der Synchronsprecher von Robert de Niro ist, las am Sonntag aus Melvilles “Moby Dick“. Er wurde dem komplexen Werk gerecht, auch wegen seiner ungewohnten Vortragsweise.

Zunächst hätte diese Lesung in der vorgelagerten Rotunde stattfinden sollen. Doch schnell war die Kartennachfrage so stark, dass auf das größere Riff ausgewichen wurde. Das hängt sicherlich nicht mit dem Roman „Moby Dick“ zusammen, sondern mit dem, der ihn liest: Christian Brückner ist u.a. – die Chronistenpflicht verlangt, es zu sagen – die deutsche Synchronstimme des Schauspielers Robert de Niro. Beide werden von Vielen verehrt.

Denn Herman Melvilles Romanwälzer „Moby Dick“ geht es so wie vielen Werken der Weltliteratur, etwa Joyces „Ulysses“ oder Döblins „Berlin Alexanderplatz“ – sie sind im kollektiven Gedächtnis verankert, wurden und werden aber kaum gelesen. Das war schon so, als das Werk 1851 erschien. „Moby Dick“ dieser mit zahllosen Exkursen, Befindlichkeitsmonologen und Weltbetrachtungen Hinkelstein von Literatur, verprellt viele Leser. Heute ist die Verfilmung durch John Huston von 1956 mit einem furiosen Gregory Peck noch immer sehr populär. Allein: Der Film erzählt eine Abenteuergeschichte, die die Komplexität des Romans nicht in Rechnung stellt. Christian Brückner wird genau dieser Komplexität gerecht.

Es gibt keinen Vorlesefehler

Zwei Stunden steht der große, hagere Mann vor einem Publikum von rund 100 Gästen. Und liest. Und gestikuliert, schauspielert. Das mag zuerst etwas ungewohnt und ungelenk wirken, gehen Lesungen in der Regel doch eher spröde bis öde mit Tisch, Stuhl und obligatorischem Wasserkrug über die Bühne.

Doch der 68-Jährige, der „Moby Dick“ vor vier Jahren komplett als Hörbuch eingelesen hat, wirkt geradezu verliebt in die mäandernde, redselige, schwadronierende Erzählweise des Protagonisten Ismael, der sich auf dem Walfangschiff Pequod unter dem Befehl Ahabs auf die Jagd nach dem weißen Wal macht. Manche Passagen kann er auswendig. Er lässt Melvilles Prosa, die vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt, die conditio humana von den alten Ägyptern über gebratenes Federvieh bis Seneca und zurück beleuchtet, genügend Raum. Seine kaum verwechselbare, heisere Stimme wackelt an keiner Stelle. Es gibt keinen Vorlesefehler.

Ein mitreißender Auftritt

Bereits beim ersten Satz „Nennt mich Ismael“, einem der berühmtesten ersten Romansätze überhaupt, geht ein leises Raunen durch das Publikum. Es war ein mitreißender Auftritt eines Mannes mit ganz eigener Ausstrahlung. Ein Beispiel dafür, was Lesung auch sein kann.