Bochum. . Die Bochumer Gemeinde Vierzehnheiligen kämpfte vergeblich gegen die Schließung ihrer Kirche. Das Pfarrheim und die Kirche sind geschlossen, die Schlösser ausgetauscht. Die Katholiken versuchen, ihr Gemeindeleben dennoch zu retten.
Wenigstens die Muttergottes haben sie rausholen können, als man sie ein letztes Mal ins Pfarrheim ließ. Nun steht die Figur auf der Fensterbank von Elektromeister Heinz-Adolf Rosenberg, aber natürlich steht sie da nicht in privatisierender Funktion; vielmehr begleitet Maria hier im Wohnzimmer den Seniorenkreis der katholischen Kirchengemeinde Vierzehnheiligen bei seinen Dienstagstreffen. 13 Frauen und ein Mann zufälligerweise, und sie sagen: „Wir sind ganz klar ein Teil von Vierzehnheiligen.“
Das Problem daran ist, dass es in den Augen der Amtskirche Vierzehnheiligen nicht mehr gibt. Der Umbau des Ruhrbistums seit 2005 fasste 259 Gemeinden zu 43 Groß-Pfarreien zusammen, und so wurde auch Vierzehnheiligen zu St. Franziskus geschlagen. Wenn man nun, Jahre später, der Frage nachgeht, was das bedeutet für die alten Gemeinden, dann stößt man recht schnell auf Vierzehnheiligen. Kein typisches Beispiel, aber ein wehrhaftes; am Tor der verrammelten Kirche hängt ein Plakat, auf das gute Katholiken geschrieben haben: „Man spricht von Christenverfolgung in China, im Iran, selbst in der Türkei. Was ist das, was hier passiert?“
"Hässlich Scheidung"
Ganz gerafft erzählt: Vierzehnheiligen wollte sich nicht auflösen lassen, ums Verrecken nicht; es kam, wenn man das so sagen darf in diesem Zusammenhang, zu einer ziemlich hässlichen Scheidung. Man hat ihnen die Kirche und das Pfarrheim geschlossen, ja die Schlösser ausgetauscht an den beiden Gebäuden, die die Gemeinde in dieser guten Gegend von Bochum-Weitmar selbst hätte unterhalten wollen. „Das ist es, was die Leute so wütend macht“, sagt der frühere Kirchenvorstand Gerd-Bernd Mohr: „Sie haben die Kirche in den 50er-Jahren selbst gebaut, in Zeiten, die viel schlechter waren als heute. Und jetzt sagt man ihnen: Wir brauchen euch nicht und machen euch zu.“
Und so kommt es, dass die Lauen nun fort sind oder sich fügten; doch die 120, vielleicht 150 Aktiven machen einfach weiter. Nun, ohne Pfarrheim, trifft sich der Altenkreis bei den rebellischen Rosenbergs (eigentlich Kirchenvorstand in der 3. Generation) und der Kreativkreis in einer anderen Wohnung. Der Chor ist beim Roten Kreuz untergekommen, die Theatergruppe in einer Gaststätte. Die KAB nennt sich nicht mehr KAB, Katholische Arbeitnehmer-Bewegung also, sondern „Familienkreis“, und ist in den Schulungsraum von Malermeister Mohr exiliert. Und die Kegelgruppe kegelt jetzt im evangelischen Gemeindehaus. „Sogar die Evangelen sagen, warum soll eure Kirche abgerissen werden, was soll der Blödsinn?“, sagt eine Keglerin. Dabei kann von Übertritt aber keine Rede sein: „Die katholische Kirche ist unser Leben.“
Den Zusammenhalt stärken
Doch sieht man sie auch selten zur Messe nach St. Franziskus gehen, ihrer offiziell zugeordneten Kirche; viele gehen lieber hügelan in die Gegenrichtung: „Da guck ich mich um, da stehen 30 von uns vor der Meinolphus-Kirche“, sagt Theresia Henrich: „Andere fahren nach Linden oder nach Stiepel.“ Andererseits „hat man sich früher nach dem Gottesdienst immer noch unterhalten, jetzt ist man ja überall fremd“.
Soweit klingt das alles ganz nach gallischem Widerstand, ist auch nicht ohne jede Komik, doch so ist es nicht: „Das wird ja allgemein beklagt, dass man sich nur noch in den Gruppen trifft und nicht mehr alle gemeinsam“, sagt Gerd-Bernd Mohr. Und so suchen sie gerade einen neuen Gemeinschaftsraum, verhandeln über eine ausgediente Bäckerei in großstädtischer Lage zwischen Pizzadienst und Spielhalle und keine 500 Meter entfernt von ihrer verbotenen Kirche. Um den Zusammenhalt zu stärken, sind auch für dieses Jahr wieder Ausflug und Wallfahrt geplant, Martinszug und Gemeindefest – auf dem Kirchplatz, versteht sich, sofern Essen das zulässt.
Kein Ende in Sicht
Denn zu Ende ist die Auseinandersetzung ja längst nicht: „Wir wollen unsere Kirche wiederhaben“, sagt Gisela Mohr. Zumindest haben sie noch erreicht, dass sie aus dem Pfarrheim herausholen konnten, was den Gruppen gehört – das war die Aktion mit der Muttergottes. Da holte der Chor seine Noten, der Altenkreis seine Kaffeekannen, und die KABler nahmen ihre Stehtische mit und den Schnaps (Gerd-Bernd Mohr zwinkert an dieser Stelle). „Aber das E-Piano, das doch dem Chor gehört, das wollten sie nicht herausrücken“, sagt er.
Da hat sich dann der Herr Happe reingekniet. Er hat jetzt die Belege gefunden, dass das Piano wirklich dem Chor gehört. Und das nach 18 Jahren! So, das Klavier herauszuholen, ist das nächste Projekt. Es freut sich der Seniorenkreis, und von der Fensterbank lächelt die Muttergottes.