Bochum. .
Während in der öffentlichen Wahrnehmung oft nur von den Leuchtturmprojekten der Kulturhauptstadt gesprochen wird, hat sich auch im Kleinen erstaunlich viel getan. Ein Blick auf die „kleinen“ Ruhr.2010-Projekte.
„Kultur durch Wandel – Wandel durch Kultur“: Mit diesem Slogan waren die 53 Ruhrgebietsstädte 2007 angetreten, die Region durch den Titel „Kulturhauptstadt 2010“ aus dem Schatten zu ziehen. Nun, da 2010 auf der Zielgeraden angekommen ist, ist in der öffentlichen Wahrnehmung zumeist nur die Rede von einigen wenigen Leuchtturmprojekten, die auf die graue Revier-Maus abzustrahlen versuchten, von denen viele bekanntlich scheiterten (wie der Platz des europäischen Versprechens).
Dass aber im Kleinen erstaunlich viele Lichtlein glimmen, ist nicht den offiziellen 2010-Verantwortlichen zu verdanken, sondern emsigen Künstlern, ambitionierten Nachwuchstalenten und unermüdlichen Helfern, die den Wandel durch Kultur suchen. „2010 war nur ein Zwischenziel; was folgt, sind in den nächsten Jahren die Initiativen mit Nachhaltigkeit“, sagt Thomas Sichelt, Kulturhauptstadtbeauftragter bei der Stadt Bochum.
Deren tatsächliche Wirkung erwartet er nicht vor 2015. „Stadtentwicklung von unten“, so nennt er Veränderungen, die zunächst unmerklich begannen, um dann in Quartieren und bei ihren Bewohnern eine mitreißende Dynamik loszutreten. Für ihn ein gutes Beispiel: das „Viertel vor“ im Ehrenfeld, das auf alles ausgedehnt werden soll.
„Thema Wohnen sollte eine zentralere Rolle spielen“
„Dieses Potenzial sehe ich auch fürs Viktoria-Quartier. Das beinhaltet weit mehr als Konzerthaus und Marienkirche. Das Thema Wohnen sollte eine zentralere Rolle spielen.“ Eine räumliche Ausweitung sei wichtig, Richtung Griesenbruch und Rottstraße („günstige Mieten und Ladenlokale“) übers Ehrenfeld mit dem Schauspielhaus – der „Keimzelle“ – und die Riff-Fläche samt Bermuda-Dreieck. Kulturentwicklungen könne nicht die Stadt verordnen, „wir reagieren auf Anregungen der Bürger, helfen, Hürden zu nehmen“.
„Wir haben schon jetzt die Lehre gezogen aus 2010, nämlich erst Konzepte zu entwickeln und danach passende Räume zu suchen“, sagt Thomas Sichelt. Darunter zählt er das Konzept Design-Kioske, das verstetigt werden soll, in der Form, dass Künstler ihre kleinen Produkte herstellen. Diese könnten in Ladenlokalen verkauft werden, zum Beispiel von Menschen mit Behinderungen.
Einer, der als Katalysator für Ruhr.2010 tätig ist: Thomas Zehnter fungiert als „Künstlerknoten“ (artist contact point). Als solcher verknüpft er die Bedürfnisse Bochumer Kreativer mit den Möglichkeiten, die offiziell Verantwortliche bieten. Zehnter hat Ideen auf die Beine geholfen, die nahezu im Verborgenen entstanden sind.
Doch anders als vom RVR zunächst geplant, soll die Funktion des Künstlerknotens nicht weiter finanziert werden. Für Zehnter nicht nachvollziehbar. Mit seinem Engagement, das bescheinigen ihm alle Beteiligten, konnten Projekte losgetreten werden. Einige davon zunächst als junge Triebe. Um sie zum Wachsen zu bringen, bedarf es nachhaltiger Pflege. Um die nicht zu vernachlässigen, will sich der Künstler Zehnter trotz allem weiter einsetzen, wenn’s sein muss, auch ohne Bezahlung: „Das kann doch nicht nur ein Strohfeuer gewesen sein.“
Kontakte für Bochumer Künstler geknüpft
Zu den Dingen, denen Zehnter auf die Beine half, gehört etwa die Nutzung des ehemaligen BKK-Gebäudes an der Bessemer Straße durch die Künstlergruppe FKT (freies Kunst-Territorium) seit November. Er vermittelte zudem den Kontakt zwischen der Künstlerin Martina Murgia und der IHK, wodurch jetzt die Interims-Nutzung des Telekom-Blocks für Künstler und Kreative zustande kommen soll (die WAZ berichtete). Aus dem „T.A.I.B“, der temporären architektonischen Aktion auf dem Brachgelände am Riff, entstand ein Verein, der sich vorgenommen hat, Brachflächen in Bochum regelmäßig zu „bespielen“. Das „European Centre for Creative Economy“ (ECCE) hat sich dort finanziell eingebracht, genauso wie bei dem Projekt Kunst-Kirche Christ-König. Durch seine Arbeit im Organisationsteam der Kunstkirche bekam Zehnter gute Kontakte zur katholischen Kirche. „Mittlerweile sieht es so aus, als wenn im leerstehenden Haus der katholischen Jugend (Humboldtstraße) eine interkulturelle Akademie einen Platz finden wird, unter städtischer Regie.“ Zudem könnte diese neue Adresse räumlich verbunden werden mit der künftigen Kulturachse Rottstraße.
„Erst in 2011 wird sich zeigen, welche dieser Projekte tatsächlich nachhaltig laufen werden. Deshalb ist es nicht zu verstehen, warum unsere Tätigkeiten so abrupt gestoppt werden. Das schadet sowohl der Glaubwürdigkeit der Kulturhauptstadt, als auch der Glaubwürdigkeit von ECCE – und nicht zuletzt meiner Glaubwürdigkeit oder der anderer Künstlerknoten.“