Bochum. .
Wie ein Diplom-Ingenieur an Burnout erkrankte - und Hoffnungslosigkeit und Angst nach Jahren hinter sich ließ.
Nennen wir ihn Thomas Kästner. Sein Name wurde von der Redaktion geändert. Zu groß sind Furcht und Scham, im Job und privat erkannt, als Schwächling oder Irrer verhöhnt zu werden. Seine Leidensgeschichte will der 49-Jährige dennoch öffentlich machen: „Damit andere daraus Lehren und früher als ich die Reißleine ziehen.“
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Kinderlose, gleichwohl glückliche Ehe, gute Freunde, sicherer Arbeitsplatz als Technischer Zeichner: Eigentlich hat Thomas Kästner keinen Anlass zur Sorge. Wenn nicht das Wörtchen ,Nein’ wäre, das der Diplom-Ingenieur viel zu selten über die Lippen bringt. Im Großraumbüro arbeitet er seit 1999 dicht an dicht mit 13 Kollegen. Dauerbeschallung von allen Seiten. Es gibt keine Trennwände, keine Privatspäre, keine Rückzugsmöglichkeiten. Umstrukturierungen sind häufig.
Schweißnasse Nächte
Wer neu im Großraum ist, erkennt schnell, dass „der Thomas“ nicht nur über großes Fachwissen, sondern ein ebenso großes Herz verfügt. „Ich hab’ gern geholfen und zusätzliche Aufgaben übernommen. Das hat sich derart automatisiert, dass mir die Kollegen im Vorbeigehen Akten auf den Schreibtisch geworfen haben.“ Der Thomas macht das schon. Stress pur. Nein zu sagen ist keine Option. Klaglos schiebt er Überstunden. Ehe: kaum noch der Rede wert. Freunde, Sport: kaum noch Zeit. Aber man(n) wird ja gerne gebraucht.
Doch zunehmend macht sich Angst breit. Schaffe ich das Pensum noch? Werde ich meinen eigenen Ansprüchen gerecht? Schweißnasse Nächte. Selbstzweifel. Ein Stückchen Glück gibt’s nur freitags zum Feierabend. Doch schon sonntags macht ihn allein der Gedanke an Montag, an die verfluchte nächste Woche, krank in der Seele. „Ich habe mehrfach an Suizid gedacht.“
2008 erleidet Thomas Kästner einen Kreislaufzusammenbruch. Als ihn sein Hausarzt krank schreiben will, wehrt er sich. Er wird doch im Büro gebraucht. Erst der zweite Kollaps führt zur Einsicht: Burnout. Ich habe mich jahrelang selbst überfordert. Gegensteuern! Sonst es ist zu spät.
Thomas Kästner nimmt sich erst einen Krankenschein - und nach drei Wochen den Existenzkampf auf. Er beginnt eine Psychotherapie. Zwar erleidet er Rückfälle. Doch nachdem er sich dem Chef offenbart hat, wird er in eine ruhigere Abteilung versetzt.
Für manchen Burnout-Patienten bleibt nur die Kündigung
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„Ich lernte, auch mal Nein zu sagen, das Telefon auch mal klingeln zu lassen, nicht jede Mail sofort zu beantworten.“ Er lacht, als er die Pflanze erwähnt: „Ich hab’ eine Palme vor meinen Schreibtisch gestellt. Ich will mich nicht abschotten. Aber das Grün erhöht die Hemmschwelle bei so manchem Kollegen.“
„Keine Frage: Für manchen Burnout-Patienten bleibt nur die Kündigung. Thomas indes ist auf dem besten Weg, etwas zu schaffen, was längst nicht jedem Betroffenen gelingt: Er ist nicht vor seinem Problem weggelaufen, sondern hat aus eigener Kraft Änderungen herbeigeführt. Im Büro. Und vor allem im Bewusstsein, nicht jede Anforderung erfüllen, es nicht jedem recht machen zu müssen“, sagt Psychologin Marianne Meschke-Barth, in deren Selbsthilfegruppe Thomas Kästner seit einem halben Jahr rege mitwirkt.
Der 49-Jährige hat neuen Lebensmut geschöpft. „Die Selbstzweifel nagen manchmal noch immer an mir. Aber ich fühle mich wieder wohl bei der Arbeit und kann mich wieder ehrlich freuen - und sei es über den Sonnenschein.“ Dunkel war’s lange genug.